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Der letzte Tag der Unschuld

Der letzte Tag der Unschuld

Titel: Der letzte Tag der Unschuld
Autoren: Edney Silvestre
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zur gegenüberliegenden Wand. Die Polizisten wechselten sich ab, stellten immer wieder die gleichen Fragen.
    »Was habt ihr dort mit ihr gemacht?«
    »Wieso ist sie mit euch dorthin gegangen?«
    »Wer von euch hat sie dorthin bestellt?«
    »Wir kennen die Frau nicht, das haben wir doch schon gesagt!«
    »Herr Wachtmeister, weder Paulo noch ich wissen, wer sie ist.«
    »Natürlich wisst ihr das.«
    »Wem gehört das Taschenmesser?«
    »Wie oft habt ihr zugestochen?«
    »Wie habt ihr sie dorthin geschleppt?«
    Einer von ihnen lachte. Eduardo glaubte, sie tuscheln zu hören.
    »Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt, und Eduardo auch, wir kennen die Frau nicht.«
    »Ich kannte sie nicht. Ich hab sie nie zuvor gesehen. Wir haben sie nie zuvor gesehen.«
    »Nie.«
    »Wie oft habt ihr zugestochen?«
    »Was soll das heißen: Ihr kennt sie nicht?«
    »Wie oft hast du mit dem Messer zugestochen?«
    »Das Messer gehört nicht Eduardo, es ist meins.«
    »Wie oft?«
    »Das Messer gehört mir, aber wir benutzen es nie, wir kennen die Frau nicht, wir haben sie noch nie gesehen.«
    »Jeder kennt sie, Kaffer.«
    »Ich bin kein Kaffer!«
    »Halt’s Maul! Du redest nur, wenn du gefragt wirst, Kaffer.«
    »Ich bin kein Kaffer! Und ich muss überhaupt nicht antworten!«
    »Willst du ne Tracht Prügel, Kaffer?«
    »Ganz ruhig, Herr Wachtmeister. Ruhig, Paulo. Wir waren am See zum Baden, weiter nichts, Herr Wachtmeister.«
    »Wie viele Stiche waren es? Red schon, Kaffer.«
    »Ich weiß es nicht. Wir wollten nicht hinsehen.«
    »Wir haben die Stiche nicht gezählt. Ich nicht und Paulo auch nicht.«
    »Ein Taschenmesser macht keine solchen Stiche. Das war ein richtiges Messer.«
    »Woher weißt du das, Kaffer? Hast wohl schon mal jemanden abgestochen?«
    »Ich bin kein Kaffer! Und ich hab nix gemacht, ich bin bloß über die Leiche gestolpert.«
    »Woher wusstet ihr, dass sie tot war?«
    »Wir haben sie nicht angefasst, Herr Wachtmeister. Wir haben sie gefunden, und ich hab zu Paulo gesagt, es ist besser, wir kommen hierher zur Wache und erzählen, was wir gefunden haben. Die Leiche.«
    »Und ich hab dir gesagt, besser, wir lassen die Polizei aus dem Spiel!«
    »Wir haben Sie doch zu ihr geführt, oder etwa nicht? Um sie Ihnen zu zeigen. Wir haben sie nur gefunden. Weiter nichts.«
    »Ich hab dir gleich gesagt, die Polizei glaubt uns nicht, Eduardo!«
    »Tun wir auch nicht. Weil ihr lügt. Was habt ihr mit ihr gemacht?«
    »Nichts! Sie war schon kalt, als ich über sie gestolpert bin.«
    »Du lügst, Kaffer.«
    »Paulo und ich sind zum See gefahren, weil wir aus dem Erdkundeunterricht geflogen sind.«
    »Der Lehrer hatte uns zum Rektor geschickt.«
    »Wer hat ihren Rock hochgeschoben?«
    »Du oder du?«
    Ich habe Hunger, stellte Paulo fest. Ich habe Hunger, ich habe Durst, ich muss mal pinkeln, ich habe noch nicht zu Mittag gegessen, ich habe gar nichts gegessen, nur ein Stück Brot mit Kaffee, warum haben sie Eduardo und mich in diesen stickigen Raum gesperrt, warum fragen sie uns dauernd, ob wir diese Frau umgebracht haben, warum, wozu? Sehen die denn nicht, dass wir es gar nicht gewesen sein können? Mit meinem Taschenmesser hätten wir sie nicht umbringen können. Ich habe ihren Rock nicht angerührt, der war schon hochgeschoben bis zur Hüfte, vielleicht war er auch zerrissen, wer weiß, nein, zerrissen war er nicht, oder vielleicht doch, aber ich habe ihn nicht hochgeschoben, und Eduardo auch nicht, der Kerl, der mir ins Ohr brüllt, spuckt immer beim Reden, so ein Schwein, ich glaube, das ist der, mit dem wir als Erstes geredet haben, der mit dem verfaulten Schneidezahn, der, der uns in diesen Raum ganz hinten im Polizeirevier geschubst hat, als wir hierherkamen, um zu erzählen, dass wir eine Leiche gefunden haben. Der stank aus dem Mund, das konnte man schon von weitem riechen. Oder war das der andere? Mein Magen knurrt. Wie viel Uhr ist es?
    »Warst du es, Kaffer?«
    »Wir haben sie nicht angerührt. Ich bin bloß über sie gestolpert. Beim Rennen.«
    »Wir sind zum See gefahren, weil der Lehrer uns rausgeschickt hat. Und weil wir nicht nach Hause gehen konnten.«
    »Wir konnten uns doch vor Schulende nicht zu Hause blicken lassen.«
    »Hat er euch beide rausgeschickt?«
    »Ja.«
    »Was habt ihr denn gemacht?«
    »Nichts Schlimmes, Herr Wachtmeister.«
    »Wir haben uns bloß ein Heft angesehen.«
    »Im Unterricht.«
    »Was für ein Heft?«
    »Der Lehrer hat’s uns weggenommen. Und dann hat er uns zum Rektor geschickt.«
    »Was war
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