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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Dann starrte er einen Augenblick in stummem Entsetzen auf ein kleines blaues Buch, das vor ihm lag. Auf dessen Umschlag stand in goldenen Lettern ›Handbuch der Bienenzucht‹. Er konnte nur einen Moment lang auf den nichtssagenden Titel blicken. Dann wurde er auch schon mit eisernem Griff am Nacken gepackt, und ein chloroformgetränkter Schwamm legte sich auf das verzerrte Gesicht.

    »Trinken Sie noch ein Glas, Watson!« sagte Sherlock Holmes und hielt ihm die Flasche Tokayer Imperial entgegen.
      Der dickliche Chauffeur, der sich an den Tisch gesetzt hatte, schob ihm mit ziemlichem Eifer das Glas hin.
      »Das ist ein guter Wein, Holmes.«
      »Ein bemerkenswerter Wein, Watson. Unser Freund drüben auf dem Sofa hat mir versichert, daß er aus dem Spezialkeller Franz Josephs in Schönbrunn stammt. Dürfte ich Sie bitten, das Fenster zu öffnen? Der Chloroformdunst tut dem Gaumen nicht gut.«
      Der Safe stand weit offen, und Holmes nahm Dossier um Dossier heraus, sah jedes schnell durch und packte alles säuberlich in von Borks Reisekoffer. Der Deutsche schlief schnarchend auf dem Sofa, mit einem Strick waren ihm die Oberarme und die Beine zusammengebunden.
      »Wir brauchen uns nicht zu beeilen, Watson. Wir sind vor Überraschungen sicher. Würden Sie bitte den Klingelknopf drücken? Niemand ist im Haus als die alte Martha, die ihre Rolle bewunde rungswürdig gespielt hat. Ich habe ihr die Lage klargemacht, als ich die Angelegenheit übernahm. – Da sind Sie ja, Martha. Sie werden froh sein zu erfahren, daß alles gut gegangen ist.«
      Die freundliche alte Dame war in der Tür erschienen. Sie knickste lächelnd vor Holmes, sah aber ängstlich zu der Gestalt auf dem Sofa hinüber.
      »Alles in Ordnung, Martha. Er ist überhaupt nicht verletzt.«
      »Da bin ich aber froh, Mr. Holmes. Er war ein freundlicher Herr. Gestern wollte er, ich sollte mit seiner Frau nach Deutschland fahren. Aber das hätte wohl schwerlich in Ihre Pläne gepaßt, nicht wahr, Sir?«
      »Da haben Sie recht, Martha. Solange Sie sich im Haus befanden, war mir wohl. Wir haben heute abend einige Zeit auf Ihr Signal warten müssen.«
      »Daran war der Sekretär schuld, Sir.«
      »Ich weiß. Sein Wagen ist an unserem vorübergefahren.«
      »Ich dachte schon, er geht nie. Ich wußte doch, daß es nicht in Ihre Pläne gepaßt hätte, Sir, ihn hier zu treffen.«
      »Wirklich nicht. Ich wollte nur sagen, wir mußten eine halbe Stunde warten, ehe das Licht in Ihrem Zimmer ausging und ich wußte, daß die Luft rein war. Melden Sie sich morgen bei mir in London, Martha, im Hotel ›Claridge‹.«
      »Sehr wohl, Sir.«
      »Ich nehme an, Sie haben schon gepackt.«
      »Ja, Sir. Heute hat er sieben Briefe abgeschickt. Ich habe wie gewöhnlich die Adressen abgeschrieben.«
      »Sehr schön, Martha. Ich sehe sie mir morgen an. Gute Nacht. – Diese Papiere«, fuhr er fort, als die alte Dame sich zurückgezogen hatte, »haben keinen sehr großen Wert, denn natürlich sind die Informationen, die sie enthalten, längst an die deutsche Regierung abgeschickt worden. Das hier sind die Originale, die hätten sie nicht so sicher aus dem Land bringen können.«
      »Dann sind sie also nutzlos.«
      »Das würde ich nicht sagen wollen. Sie setzen unsere Leute wenigstens davon in Kenntnis, was bekannt ist und was nicht. Ich kann sagen, daß er an viele seiner Papiere durch mich gelangt ist, und ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß sie durch und durch unzuverlässig sind. Es würde mein altes Herz erwärmen, könnte ich erleben, daß ein deutscher Kreuzer durch den Solent fährt, nach den Verminungsplänen, die ich zusammengestellt habe. Aber jetzt zu Ihnen, Watson.« Er hielt in der Arbeit inne und nahm den alten Freund bei den Schultern. »Ich habe Sie bis jetzt kaum bei Licht gesehen. Wie ist es Ihnen in all den Jahren ergangen? Sie sehen noch immer wie der fröhliche Knabe von einst aus.«
      »Ich fühle mich um zwanzig Jahre jünger. Selten war ich so glücklich wie in dem Moment, als ich Ihr Telegramm erhielt, in dem Sie mich darum baten, mit dem Wagen nach Harwich zu kommen. Aber Sie, Holmes, Sie haben sich sehr wenig ver ändert – den schrecklichen Spitzbart ausgenommen.«
      »Das sind die Opfer, die man seinem Vaterland bringt, Watson«, sagte Holmes und zog an dem kleinen Haarbüschel. »Morgen wird er nur noch eine scheußliche Erinnerung sein. Wenn die Haare geschnitten sind und ich noch einige
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