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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Brandhorst
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Eindruck von Bedeutungslosigkeit, die nicht nur alle Ereignisse betraf, mit denen man sich irgendwie verbunden fühlte, sondern auch die eigene Person, die eigene Existenz , kurz und vergänglich, zumindest die eines Vivus. Hier war jemand, der fast siebenmal so lange gelebt hatte wie ein gewöhnlicher Mensch ohne aufwendige regenerative Behandlungen, auch wenn er den größten Teil dieser Zeit, mehr als sechshundert Jahre, als Mortus verbracht hatte.
    Regent Avedo Avedis, wie Luzius »der Große« genannt, weil es Ihm vor einem halben Jahrtausend gelungen war, die zweite Inkursion abzuwehren, direkter Nachfahre der ersten der Sechsundzwanzig Familien: nicht annähernd so groß wie General Izzad, und auch nicht so hager, aber ebenso grau, das Gesicht wie aus Stein gemeißelt und von dünnen Falten durchzogen, die Bruchlinien in überstrapaziertem Synthstahl ähnelten. Die tief in den Höhlen liegenden Augen wirkten nicht so kalt wie die anderer Morti, aber ihr Blick war noch ruhiger und gelassener – es war der Blick eines Mannes, der viel gesehen hatte und den fast nichts mehr überraschen konnte. Er trug eine einfache Uniform, in der Farbe des Obsidians im Flur und ohne jeden Schmuck, nur mit dem Symbol des Enduriums am Kragen: einer stilisierten Faust vor dem Hintergrund der Erde. Reglos saß Er da, die grauen Hände auf den Tisch gelegt, den Blick jetzt wieder auf den Orion-Repräsentanten Denslow gerichtet, ein Mann, der für das Auge eines Ahnungslosen weniger eindrucksvoll wirken mochte als der große, sofort Aufmerksamkeit auf sich ziehende Izzad. Aber Xavius spürte die Aura der Autorität, in die der Regent gehüllt war, ein Netz von Kraft und Macht, dessen Mittelpunkt er darstellte.
    »Ich verlange, dass Sie ihn uns übergeben!«, stieß Denslow hervor und fuchtelte mit den Armen. »Er steht uns zu! Wir können nachweisen, dass der Keil uns gefolgt ist, als wir hierherkamen.«
    Xavius blinzelte, erwachte langsam aus seiner Trance und begriff, dass der Splitter-Mensch den Gefangen meinte, den lebenden Ayunn. Welche Anmaßung!
    »Müssen wir daraus schließen, dass Sie ihn zu uns gebracht haben, zu Seiner Erlauchten Exzellenz? Müssen wir den Angriff der Ayunn auf Ihre Aktivitäten zurückführen? Wollen Sie das andeuten?«
    Es war eine schneidende Stimme, scharf und durchdringend, und sie gehörte dem Mann, der an der linken Ecke des langen Konferenztisches saß, zwischen Izadds Gruppe, zu der auch Xavius zählte, und dem Regenten. Ein hagerer Mann, das Gesicht nicht ganz so grau, aber ebenfalls ein Mortus. Er schien den Übergang zum Tod in jüngeren Jahren als der große Avedo vollzogen zu haben, denn es zeigten sich weniger Falten in Augenwinkeln und Wangen; vielleicht war er nur wenige Jahre älter gewesen als Xavius, als er die Stille Stadt erreicht hatte. Die Spiralen alter Tätowierungen, inzwischen verblasst, reichten von den Augen zum Kinn, vereinten sich dort und schickten eine ockerfarbene Hand zum Kehlkopf. Quintus M Quiron, Vorsitzender des Gremiums und nach dem Regenten der mächtigste Mann im Endurium. Eine Ironie des Schicksals wollte es, dass er, obgleich fünfhundert Jahre alt, seine eigentliche Aufgabe bisher noch nicht ein einziges Mal hatte erfüllen können: die Leitung des Konklaves und damit die Wahl eines neuen Regenten. Die Reste der Tätowierung wiesen darauf hin, dass er – obwohl direkter Abstammung, wie das doppelte Q bewies – nicht zu den Puristen gehörte, aus denen das übrige Gremium und die zivilen und militärischen Korporalschaften im direkten Dienst des Regenten bestanden. Vor einigen Jahren, kurz nach seiner Akkreditierung beim Gremium, hatte Xavius diskrete Nachforschungen angestellt, aber im Mesh keine Hinweise auf Quintus’ frühere Existenz finden können. Vielleicht war er einmal Pilot gewesen; manche Piloten, die sich mit neuen Konnektoren auf einen langen Weg durch Zeit und Raum machten, verwendeten Identifikationszeichen, angelehnt an die Hieroglyphen der Letzten Alten.
    »Ich will nichts dergleichen andeuten«, sagte der Orioner Denslow etwas weniger hitzig und wechselte einen kurzen Blick mit den anderen Splitter-Menschen, die rechts und links von ihm am Tisch saßen, offenbar Mitglieder einer gemeinsamen Delegation. »Wir erheben nur Anspruch auf das Erstkontaktrecht!«
    »Abgelehnt!«, sagte Quiron sofort.
    Der Regent hob die Hand. »Ich bitte Sie. Sie beide. Wir sind hier, um zu verhandeln.«
    Um zu verhandeln?, dachte Xavius und war erneut
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