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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Brandhorst
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den Nacken.
    Der Schatten, der über ihn hinweggewandert war, stammte von einem neuen Mond am Himmel, einem dunklen Dreieck, fast fünfmal so groß wie der Konnektor. Die winzigen Schwarmmaschinen in Xavius’ Augen zeigten ihm Einzelheiten: Waffentürme, die wie Dorne aus dem zentralen Rumpf ragten; Hangarkuppeln wie Warzen und Furunkel am dunklen Leib des riesigen Schiffes; Sensorcluster, wie nach vorn gestreckte dünne Finger; die klobigen Rotationsmodule der Triebwerke, noch vom letzten vagen Flackern der Kosimo-Aura umgeben. Ein Zerstörer des Enduriums, Vulca -Klasse, eins der größten Schiffe der Faust des Regenten, vielleicht sogar …
    Xavius hielt unwillkürlich den Atem an, das Unbehagen war weggewischt, die Müdigkeit verflogen. Eine wilde Hypothese bildete sich in seinen Gedanken. War es möglich …?
    Sein Schwarm, verbunden mit dem lokal-planetaren Netz, machte von den in vier Jahrzehnten errungenen Privilegien Gebrauch, schickte eine Dringlichkeitsanfrage und bekam Bestätigung: Es war tatsächlich die Zerberus , das Flaggschiff des Regenten.
    Xavis V Xavius, Chronist Ersten Grades, einer von nur dreien, die direkt beim Gremium akkreditiert waren, blickte voller Ehrfurcht gen Himmel und dachte: Ruhm und Ehre dem Regenten, gepriesen sei Er! Hier stehe ich, nur einige Dutzend Kilometer von Ihm getrennt, dem dritten Nachfolger des Großen Luzius, der die Menschheit vor dem Untergang bewahrte und den Grundstein für das Endurium legte: Avedo, ebenfalls »der Große« genannt, denn er schlug die zweite Inkursion zurück. Der Schatten Seines Schiffes ist auf mich gefallen!
    Laute Stimmen erklangen beim Wrack, und zuerst vermutete Xavius, dass ihre Aufregung der Zerberus galt, die am Himmel größer wurde, als wollte sie ihn und die Welt darunter verschlingen. Doch dann begriff er, dass es um etwas anderes ging.
    »Einer der Piloten lebt!«, rief ein Konservierer. »Er hat seine Wurzeln nicht ganz aus dem Schiff zurückgezogen. Einige von ihnen stecken noch in den Teilen, die wir stabilisiert und konserviert haben.«
    Ein lebender Ayunn? War dies ein Tag der Wunder? Plötzlich war der Boden unter Xavius’ Füßen nicht mehr fest, sondern weich wie am Rand der Sümpfe von Monosotia, und er merkte, dass er sich bewegte, dass er ging, vorbei an den ersten, halb geschmolzen aussehenden Wrackteilen. Hier bestand der Untergrund nicht aus hartem Felsgestein, sondern aus dem Staub desintegrierter Komponenten – das Schiff der Ayunn hatte noch während des Absturzes die Selbstzerstörung eingeleitet, und die Piloten ihr Sterben. Aber einer von ihnen hatte vielleicht gezögert und seine Wurzeln, die Nervenstränge, nicht rechtzeitig aus dem Dekomposit zurückgezogen.
    Weiter vorn gab eine raue, kehlige Stimme Anweisungen. Sie gehörte General Titus M Izzad, Kommandeur der Siebten Flotte, seit achtzig Jahren tot und sehr erfolgreich bei Militäraktionen in den Randwelten. Seine Schiffe und Bastionen waren ein Bollwerk nicht nur gegen die Ayunn, sondern auch gegen die radikalen Innovatoren der Splitter-Welten.
    »Vorsichtig!«, donnerte er, unterstützt von einem Vokalisator. »Der Körper interessiert mich nicht, aber der Kopf! Achtet auf den Kopf! Konserviert ihn und bewahrt ihn vor dem Tod!«
    Es klang sonderbar, wenn ein Mortus, ein Toter, davon sprach, jemanden vor dem Tod zu bewahren. Izzad überragte nicht nur die Vivi, die lebenden Konservierer und Techspezialisten, die die Wrackteile stabilisierten und untersuchten, sondern auch die anderen Morti aus der Eskorte des Generals. Flink setzte er über die zerbröckelnden Reste eines energetischen Konkregators hinweg und eilte mit langen Schritten zu den Konservierern, die den lebenden Ayunn gefunden hatten. Dort verharrte er, eine graue Statue, umgeben von schwarzen und blutroten Wrackteilen, und starrte auf den Ayunn hinab.
    Eine kleine Wolke, fast so grau wie Izzad und seine Soldaten, trieb Xavius entgegen, als er vorsichtig über ein scharfkantiges, knisterndes Wrackteil kletterte – der Teil seines Schwarms, den er zuvor ausgeschickt hatte, kehrte zu ihm zurück. Er atmete tief ein, nahm durch Mund und Nase Millionen von diensteifrigen Mikromaschinen auf.
    Der Chronass wartete auf Stichworte, aus denen er eindrucksvoll klingende Sätze gestalten konnte.
    Xavius trat noch einige Schritte näher, vorbei an den Soldaten, die ihre Visiere gesenkt hatten, die schussbereiten Waffen in ihren Händen auf den Ayunn gerichtet, für den Fall eines Angriffs auf den
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