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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Brandhorst
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Stimmen, nicht einmal die Empathen und Sensoriker von den Splitter-Welten im Magellangraben und jenseits davon. Bisher war es auch noch niemandem gelungen, die Hieroglyphen der Letzten Alten zu entziffern, den intuitiven Linguisten der anderen Menschen ebenso wenig wie dem wissenschaftlichen Korps des Enduriums unter Seiner Leitung.
    Izzad richtete einen strengen Blick auf ihn. »Sie reden nicht, Chronist«, betonte er noch einmal. »Sie schweigen, solange Er nicht das Wort an Sie richtet. Und Sie stellen Ihm keine Fragen, wenn Er Sie nicht direkt dazu auffordert. Haben Sie verstanden, Xavis V Xavius?«
    »Ja.« Er atmete tief durch. Was für ein Moment! »Ja, ich habe verstanden, General Titus M Izzad«, erwiderte er förmlich. »Ich bin bereit.«
    Izzad nickte, und die beiden Adjutanten traten vor – jeder von ihnen öffnete einen Flügel des Portals, das aus geschmiedetem Synthstahl bestand.
    Dahinter erwartete Xavius ein Anblick, mit dem er gewiss nicht gerechnet hatte. Ein Mensch stand dort und schrie den Regenten an.
    2
    Es war kein Bürger des Enduriums, das sah er auf den ersten Blick, aber die Szene war trotzdem so unglaublich, so unerhört , dass er stehen blieb und starrte, selbst als sich Izzad und die Adjutanten nach links wandten, um in dem Konferenzzimmer ihre Plätze einzunehmen. Dort stand ein einfacher Mann, natürlich ein Vivus, alt genug, um eine Faltenlandschaft im Gesicht zu tragen – oder vielleicht das Werk eines Symbionten beziehungsweise einer biologischen Erweiterung, wie sie die Splitter-Menschen oft benutzten; sie verwendeten gern lebende, organische Dinge, wie sie selbst dem Verfall geweiht, was nach Xavius’ Meinung viel über ihre Kultur aussagte –, in bunte Kleidung gehüllt, die nicht allein den Geboten der Zweckmäßigkeit gehorchte, und von klimpernden Dingen behangen, die irgendwelche Orden oder gar Schmuck sein mochten. Und dieser Mann, kaum halb so groß wie der glorreiche General Izzad, dafür aber doppelt so breit, erdreistete sich, in Seiner Gegenwart die Stimme zu heben, sogar die Hand auf ihn zu richten, mit gestrecktem Zeigefinger, und Worte zu rufen wie »Wir verlangen« und »Es ist unser gutes Recht« und sogar »Sie sind verpflichtet«! In welchem Zusammenhang diese Worte fielen, erkannte Xavius zunächst nicht, denn er war viel zu empört und verblüfft und glotzte den Splitter-Menschen an – Haidad Brugger Denslow von Loehr aus der Orion-Koalition, identifizierte ihn Xavius’ Schwarm –, bis ihn ein Saaldiener an der Schulter berührte und mit strenger Miene auf den leeren Sessel rechts von Izzad zeigte. Xavius nickte hastig, machte einige rasche Schritte und spürte dabei die Blicke einiger Anwesender auf sich ruhen, darunter auch Seinen.
    Wie in Trance nahm er Platz.
    Und vielleicht war es wirklich eine Trance, denn er spürte Ihn in seinem Schwarm, Seine ruhige, weise Präsenz, die das ganze Schiff mit all seinen komplexen Systemen durchdrang, die lokalen Netze ebenso wie sämtliche individuellen Schwärme, denn für Ihn gab es keine Barrieren. Er war das Herz des Schiffes, und seine Seele. Er stand im Zentrum des Enduriums, auch wenn Er sich wie hier am Rand befand, Hunderte Lichtjahre von Tibetian, Cuadrado, Youngquist, Beaufort und den anderen zentralen Welten entfernt, unter ihnen die Erde. Die Säule des Enduriums, seine Grundfeste, jener, der alles zusammenhielt, seit fünfhundert Jahren. Nicht der älteste aller Morti im Endurium, aber derjenige von ihnen, der die größte, schwerste Bürde trug, so groß und schwer, dass ein Vivus schon nach kurzer Zeit unter ihr zusammengebrochen wäre.
    Während der Mensch von den Splitter-Welten der Orion-Koalition weiterhin wetterte – die Wangen gerötet, die Stirn schweißfeucht, jedes viel zu laute und respektlose Wort untermalt vom Klirren und Klimpern der Orden und des Tands an seiner viel zu bunten Kleidung –, erlebte Xavius eine Sekunde der Erhabenheit, als Sein Blick über ihn hinwegstrich. Er fühlte sich nicht nur von einer Macht berührt, die über fünftausend Lichtjahre hinwegreichte und vierundachtzig Sonnensysteme mit hundertzweiundneunzig Welten umfasste, sondern auch von einem Stück der Ewigkeit. Während dieser einen hehren Sekunde fühlte er sich ähnlich wie auf Cordowa, einer anderen Welt mit Ruinen der Alten Zivilisationen, die er zusammen mit General Izzad besucht und wo er den »Strom der Zeit« gesehen hatte, durch eine fraktale Linse, ein Riss in der Textur des Raums. Es war ein
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