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Der letzte Liebesdienst

Der letzte Liebesdienst

Titel: Der letzte Liebesdienst
Autoren: Laura Beck
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haben Sie. Aber mit Ihren Gedanken waren Sie woanders.« Die Anwältin schürzte die Lippen. »Das hat mich nicht gestört, solange es keine Probleme gab. Ihr Privatleben ist Ihre Sache. Aber jetzt . . .«, sie schaute auf das mit Korrekturen übersäte Blatt, »gibt es ein Problem.«
    »Ich kann das noch mal schreiben«, sagte Lara sofort. »Dann werde ich besser aufpassen.«
    »Hm.« Frau Stanitz betrachtete sie nachdenklich. »Wie oft haben Sie die letzten Schriftstücke noch mal geschrieben? Drei Mal? Vier Mal? Manche habe ich danach selbst noch im Computer korrigiert, damit sie in korrekter Form rausgehen konnten. Die meisten Richter sind nicht sehr nachsichtig, wenn sie Schreiben bekommen, die vor Rechtschreibfehlern nur so wimmeln. So verliert man einen Fall, bevor er überhaupt verhandelt wurde.«
    Lara schloss die Augen. Ihre Chefin war nicht gerade die Wärme in Person, aber sie war immer korrekt und fair gewesen. Sie verlangte gute Arbeit für gutes Geld, das war alles. Dann kam man gut mit ihr aus. »Wollen Sie mich entlassen?«, fragte sie und schaute die großgewachsene Anwältin von unten herauf an.
    Elisabeth Stanitz atmete tief durch. »Eigentlich müsste ich das«, sagte sie. »Wenn es so weitergeht, brauche ich Sie nicht mehr. Dann muss ich ohnehin alles selbst schreiben.« Erneut beugte sie sich vor. »Aber dafür habe ich keine Zeit. Das ist Ihre Aufgabe. Sie sind Rechtsanwaltsfachangestellte, also müssten Sie das alles doch beherrschen. Im Schlaf.«
    Im Schlaf. Im Schlaf dachte sie an Maja, da war kein Platz für juristische Briefe.
    Ihr Herz schlug schnell. Mit dieser Situation hatte sie nicht gerechnet. Nachdem sie endlich an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnte, hatte sie gedacht, es ginge so weiter wie bisher. Niemand hier wusste, wie ihr Privatleben aussah, sie wussten noch nicht einmal, dass sie lesbisch war. Sie wussten nichts von Maja und ihrer Krankheit, sie wussten nicht, weshalb Lara so einen langen Urlaub beantragt hatte. Sie hätte sich krankschreiben lassen können, sie hatte gesetzlich das Recht, zwei Tage für die Beerdigung frei zu bekommen, vom Arbeitgeber bezahlt. Aber das alles hatte sie nicht getan. Sie hatte lieber ihren ganzen Urlaub aufgebraucht.
    Hier in dieser Anwaltskanzlei herrschte ein recht raues Klima. Nicht zwischen ihr und ihrer Chefin, bisher jedenfalls nicht, aber mit den anderen Angestellten und Anwälten. Es wurde getuschelt und gehetzt, gehässige Bemerkungen und Lästereien waren an der Tagesordnung.
    Lara hatte sich nie daran beteiligt, aber das war der Grund, dass keiner hier wusste, was sie privat tat – und mit wem sie es tat. Alle gesetzlichen Vorgaben waren hier, im Tempel des Rechts, wie man meinen sollte, Schall und Rauch. Niemand hätte sie davor schützen können, gemobbt zu werden. Und sie wusste auch schon, von wem.
    Nein, das hatte sie sich erspart. Und es war ja auch gut gegangen. Zwar wurde sie von ihren Kolleginnen immer wieder nach einem Freund gefragt – das übliche Thema montags, wenn alle aus dem Wochenende kamen –, aber sie hatte sich nie dazu geäußert, sondern nur wissend gelächelt. Sollten sie doch denken, was sie wollten.
    Außerdem hatte sie vor Maja nie eine längere Beziehung gehabt. Freundinnen schon, ein paar Tage, ein paar Wochen, aber nie eine Beziehung. Sie hatte zwar stets versucht, solche kurzfristigen Arrangements zu vermeiden, ihr war es immer um mehr gegangen, aber wenn sie dann von einer Frau, die ihr am Abend zuvor noch eine Rose überreicht und mit all ihrem Charme um sie geworben hatte, am nächsten Morgen kaltlächelnd verlassen wurde – was sollte sie dagegen tun?
    »Es war schön mit dir, Baby«, und das war’s. Sie konnte es den Frauen nicht ansehen. Solange sie etwas von ihr wollten, gaben sie sich die größte Mühe. Ein One-Night-Stand? Aber nein, so etwas taten sie nicht, darauf waren sie nicht aus. Bis die Nacht dann vorbei war, die einzige . . .
    Und dann war Maja gekommen. Sie hatten gar nicht darüber reden müssen, ob sie auf One-Night-Stands standen, das war überflüssig. Sie hatten am ersten Abend in Majas Wohnung noch nicht einmal miteinander geschlafen, waren nur aneinandergekuschelt eingeschlafen. Es war Liebe auf den ersten Blick – und auch noch auf den zweiten.
    Die große Liebe. Jeder wünschte sich das wenigstens einmal im Leben. Aber niemand wünschte sich, dass es so schnell vorbei war – für immer.
    »Ich sehe schon.« Frau Stanitz seufzte. »Sie sind mit
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