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Der letzte Liebesdienst

Der letzte Liebesdienst

Titel: Der letzte Liebesdienst
Autoren: Laura Beck
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dass jede immer auf demselben Platz in der Runde saß – und lächelte Meret leicht an, die neben ihr saß. »Hallo.«
    »Hallo Fiona.« Meret lächelte viel mehr als Fiona. Sie lächelte immer viel. Und Fiona hatte manchmal den Eindruck, sie lächelte noch viel mehr, wenn sie Fiona ansah. Oft griff sie nach Fionas Hand, wenn Fiona von Anke erzählte, drückte sie tröstend.
    Merets Freundin war vor über einem Jahr gestorben. Sie war diejenige, die bereits am längsten in der Gruppe war. Alle anderen waren nach ihr gekommen. Die meisten waren schon lange nicht mehr hier, weil sie die Trauer überwunden hatten. Sie hatten geredet, sich ausgeweint, Simone hatte ihnen professionelle Ratschläge gegeben, die anderen hatten sie getröstet, und irgendwann hatten sie die Gruppe verlassen, um wieder ein Leben ohne Gespräche über den Tod zu führen.
    Nicht aber Meret. Sie schien den Tod ihrer Freundin nicht überwinden zu können. Jede neue Frau, die zur Gruppe stieß, nahm sie in die Arme, bot ihr Hilfe an, kümmerte sich um sie. Es schien, als wäre die Gruppe ihr Lebensinhalt geworden, als hätte die Gruppe ihre Freundin ersetzt. Vermutlich wäre sie statt einmal in der Woche gern viel öfter hier hergekommen.
    Fiona saß so, dass sie den Eingang im Blick hatte. Nicht absichtlich, es hatte sich so ergeben. Da sie immer pünktlich war, trudelten die anderen Frauen erst nach ihr ein. Jede wurde von Simone begrüßt, und jeder Frau strahlte Meret entgegen.
    So, jetzt waren alle da, sie konnten anfangen. Fiona schaute Simone an, die immer noch an der Tür stand. Als sie sich gerade umdrehen wollte, um ihren Platz in der Runde einzunehmen, stutzte sie. Ihr Begrüßungslächeln kehrte zurück.
    »Komm ruhig rein«, sagte sie. »Die anderen sind schon da.«
    Eine junge Frau betrat zögernd den Raum, halblange Haare, die ihr Gesicht fast verdeckten, sehr dünn, sehr blass.
    »Du musst keine Angst haben.« Meret stand auf und wollte zu ihr eilen. »Wir beißen nicht.« Sie lachte.
    »Später, Meret.« Simone hielt sie auf. »Ihr könnt euch gleich in der Runde bekanntmachen.« Sie wandte sich an die junge Frau. »Herzlich willkommen«, sagte sie leise und warm, während sie versuchte, Augenkontakt herzustellen. »Ich bin Simone.« Sie streckte ihre Hand aus.
    »Lara«, antwortete die junge Frau automatisch und nahm die Hand.
    Simone griff nach einem Stuhl und schob ihn in die Runde, so dass die Frauen, die schon saßen, etwas beiseite rücken mussten. »Setz dich doch, Lara. Wir fangen sofort an.«
    Lara stand immer noch an der Tür und sah so aus, als wollte sie am liebsten gleich wieder gehen. Ihr Blick schweifte unsicher durch den Raum.
    Fiona hatte die Ankunft der Neuen genauso wie alle anderen neugierig beobachtet. Nicht sehr neugierig. Es war nur eine fast mechanische Aufmerksamkeit, die sie dem Ereignis schenkte. Aber Laras Blick blieb an ihr hängen.
    Fiona wusste nicht, wie es kam, aber dieser Blick rief ein aufmunterndes Lächeln in ihr hervor. Diese Lara sah so einsam und traurig aus. Es war bestimmt noch nicht lange her, dass sie ihre Liebste verloren hatte. Fiona wusste genau, wie sich das anfühlte.
    Fionas Lächeln schien für Lara wie eine Aufforderung zu sein, endgültig einzutreten, mehr als Simones Begrüßung oder Merets Überfall. Sie ging zu dem Stuhl, den Simone ihr angeboten hatte, und setzte sich still hin.
    Sie sieht furchtbar aus, dachte Fiona. Sie muss sie sehr geliebt haben. Das brachte ihre eigenen Erinnerungen an Anke zurück, und sie wandte ihren Blick ab. Sie wollte nicht in Laras Seele eindringen, und genauso wenig, oder noch viel weniger, wollte sie, dass jemand in ihre Seele eindrang. Dort war nur für einen Menschen Platz. Für Anke.
    »Nun, da heute jemand Neues zu uns gekommen ist«, eröffnete Simone die Sitzung, »wäre es vielleicht gut, wenn wir uns alle noch einmal vorstellen.« Sie schaute Lara freundlich an. »Also wie du ja schon weißt, heiße ich Simone. Ich leite die Gruppe hier. Wir treffen uns einmal in der Woche, wir sind füreinander da, trösten und helfen uns. Denn wir alle wissen, was jede von uns durchmacht, da wir es selbst durchgemacht haben. Meine Frau ist vor fünf Jahren gestorben.«
    Sie gab das Wort mit einer Handbewegung an die nächste Frau weiter, und jede stellte sich kurz vor, bis alle außer Lara gesprochen hatten.
    »Du musst nichts sagen, Lara«, sprang Simone Lara sofort zur Seite, als nichts von ihr kam. »Deinen Namen kennen wir ja bereits.
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