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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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noch dagesessen hatten wie aus Erz und Stein, fingen an zu zittern.
    Der Kapuziner aber riß in der wirren Verzückung seines Schmerzes händeringend die Arme in die Höhe. »O Herr, erbarme dich aber der wenigen, der Lämmer unter den Wölfen. Zeige ihnen den Engel auf einem weißen, leuchtenden Rosse, der sie führe zur Schlacht wider die Ketzer! Wie, unter den Lebendigen ist keiner!? So sollen deine Posaunen die Toten rufen! Blas sie lauter, Herr! Spreng die Todespforten! Öffne die Grüfte! Sende ihn zu uns, den Ersehnten, den Fürsten des Volks! Ich sehe ihn, Herr, durch die Schauer deiner Nächte, durch den Dunst der Gräber.« Er schloß die Augen, um selig zu empfangen, was der Himmel ihm gab. »Er regt sich. Jetzt, jetzt – krache, Tor des Grabes, hebe dich, Leichenstein!«
    Drei, fünf, zehn Blitze zuckten zugleich, und durch alle Fenster flammte es im selben Augenblick. Ein grelles Licht ergoß sich in das Kirchenschiff. In alle Winkel drang es, auch hinter die Pfeiler. Und zugleich ließ ein Donnerschlag den Dom erbeben. Die Fenster klirrten, die Pfeiler zitterten, die Gewölbe bröckelten. Der Schlag, der niederfuhr, sausend, prasselnd, krachend, konnte hundert Türen aus den Angeln heben, hundert Grabgewölbe sprengen, hundert Leichensteine zur Seite wälzen. Während die Gläubigen zur Erde sanken, reckte sich der Mönch im Triumph hoch auf.
    »Der Mann, der uns erlösen wird, ist da!«
    Das Schloß Werbellin lag mit seinen Mauern, Türmen und Gräben am Südwestende des gleichnamigen Sees und machte auch im Frühjahr 1348 einen durchaus friedvollen Eindruck, doch im Hofe standen die Rüstwagen, und die Reisigen versorgten die Pferde. Unter erheblicher Bedeckung hatten sich, von der Gräfin Matilde herbeigerufen, Rudolf von Sachsen, Albrecht von Anhalt und Bernard von Plötzke hier eingefunden, geeint von ihrer Feindschaft zum Markgrafen Ludwig, um die Lage zu beraten.
    Hundert Kerzen leuchteten, in den Kaminen glimmten die Kohlen. Die Geiger und Pfeifer spielten leise in der hinteren Ecke des Saales.
    Es stand nicht eben gut um die Chancen der Sachsen und Anhaltiner, die Nachfolge der Askanier anzutreten, deren Linie mit dem kinderlosen Waldemar ausgestorben war.
    »Ludwig wird stärker und stärker«, sagte die Gräfin Matilde. »Wir müssen ihn irgendwie beiseite schaffen.«
    Rudolf von Sachsen, Reichserzmarschall und ein Ehrenmann von untadeligem Charakter, mißbilligte diese Sprache mit einem leichten Runzeln der Stirn, obwohl er in der Sache derselben Meinung war. Ihm war bekannt, weshalb Matildes Haß auf Ludwig so grenzenlos war, und das entschuldigte sie: Der junge Markgraf aus Bayern war ihre große Liebe gewesen, und ihre Leidenschaft hatte alles gesprengt, was ihm bis dato begegnet war, doch Ludwig hatte sie verschmäht und statt ihrer im Jahre 1342 in Meran auf Geheiß seines Vaters eine andere Frau geheiratet, Margarete Maultasch, die Erbin Tirols.
    »Die Sache ist verfahren«, befand auch Albrecht, Graf zu Anhalt. Er galt überall als rechtschaffener und tüchtiger Fürst, der den Frieden liebte, aber wenn es darum ging, die Bayern wieder aus Brandenburg hinauszudrängen, dann war er allemal dabei.
    Rudolf von Sachsen, der wenig redete, aber dafür um so mehr aß, stöhnte auf. »Wenn es doch bloß damals mit diesem Knäblein geklappt hätte.«
    Er meinte Heinrich zu Sangerhausen, den zehnjährigen Vetter Waldemars, einen Sohn des 1318 verstorbenen Markgrafen Heinrich von Landsberg. Er war zwar nach allgemeiner Auffassung der rechtmäßige Anwärter auf die Mark Brandenburg, doch war es notwendig, ihm einen Vormund zu geben. Um diese Vormundschaft kämpften, indem sie sich den Jungen wechselseitig streitig machten, die Herzöge Wratislaw IV. von Pommern-Wolgast und eben Rudolf von Sachsen. Doch Heinrich machte beiden einen Strich durch die Rechnung: Er starb schon im Sommer 1320.
    Bernard von Plötzke lachte auf. »Hätte sich eben einer von euch rechtzeitig auf die Agnes werfen sollen.«
    Markgräfin Agnes, die Witwe Waldemars und nächste Erbin seiner Lande, war aber sehr schnell, schon Ende 1319, die Ehe mit dem Herzog Otto von Braunschweig eingegangen – nicht zuletzt, um sich ihres rechtlichen Vormunds zu entledigen, der kein anderer war als wiederum Rudolf von Sachsen.
    »Was dich nicht abgehalten hat, dir gleich die halbe Mark Brandenburg unter den Nagel zu reißen«, fügte Albrecht mit einem schnellen Seitenblick auf Rudolf hinzu, als dies erörtert wurde. »Zauche,
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