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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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ein Schwerthieb getroffen. Schnell riß er seine Kutte auseinander, um Rehbock zu verbinden, dann rief er die Pilger herbei.
    Sie brachten den Unglücklichen in ihr Hospital, wo er tief im Koma lag, zwei Wochen fast. Dann aber schlug er die Augen wieder auf. Sein Blick irrte umher, in Panik fuhr er hoch.
    »Wer bin ich? Wo bin ich?«
    »O mein Gott!« rief Ludovicus. »Er hat sein Gedächtnis verloren.«
    »Der Balken, der ihm den Kopf zerschmettern wollte«, fügte Marquardus hinzu.
    »Wer bin ich?« Diesmal kam es wie ein Schrei.
    »Du bist der Müller Jakob Rehbock aus der Mark Brandenburg.«
    »Jakob Rehbock …?«
    »Ja.«
    Marquardus glaubte nicht, daß er überleben würde. »Beten wir für ihn …« Er nahm sich vor, bei seiner Rückkehr in die Heimat Rehbocks Frau die traurige Nachricht zu überbringen.

 

    ZWEITER TEIL
    Erlöse dieses Land

 

    KAPITEL 6
    1348 – Brandenburg/Havel und Schloß Werbellin
    A uf der Kanzel des Domes zu Brandenburg stand ein blasser Kapuzinermönch, und die hageren Arme, die aus den Ärmeln seiner Kutte fuhren, sahen aus wie die Krallen eines riesenhaften Geiers, der in den Lüften seine Beute packen wollte.
    »Schmettere ihn zu Boden, allmächtiger Gott! Schlage ihn mit Blindheit und Raserei! Schleudere deine Blitze auf seinen Scheitel, daß die Erde unter seinen Füßen berste und der Abgrund ihn verschlinge! Verflucht sei er diesseits und jenseits, verflucht sein ganzes Geschlecht, verflucht Kind und Kindeskind in alle Ewigkeit! Amen!«
    Die Gräfin Matilde, die schräg gegenüber der Kanzel auf dem Hochchor saß, zuckte zusammen. Das waren genau die Bannworte, die Papst Clemens VI. Ostern 1345 von Avignon aus wider Kaiser Ludwig, den Bayern, geschleudert hatte. Wenigstens in diesem Haß war sie sich einig mit dem Heiligen Vater. Sie stöhnte so laut auf, daß die Leute zu ihr herübergafften. Sie war keine von hier, und man hatte Grund genug, sich nach ihr umzudrehen, denn sie war eine ausnehmend schöne Frau, und ihr Mieder aus violettem Samt, mit goldenen Ketten und Spangen reich verziert, verschloß nur knapp die vollen Brüste. Doch wen ihre Blicke trafen, der zuckte zusammen, als hätte ihn ein Pfeil durchbohrt.
    Allerdings war der Kapuzinermönch noch faszinierender als sie.
    »Deine Hand, o Herr, ist stark!« eiferte er. »Und dein Atem ist ein Sturmwind, wenn du die Bösen vertilgst! Dein Blick ist ein Feuerstrahl, der Städte verschlingt, wenn du nur zürnst! So hast du denn auch Kaiser Ludwig gestraft, den Fürsten der Welt, der dem Fürsten der Ewigkeit die Stirn zu bieten wagte. Am 11. Oktober, im Jahre des Heils 1347, stürzte er in der Mittagsstunde in eine Schlucht und hauchte sein sündiges Leben aus!« Er machte eine kleine Pause und streckte dabei die Hände hoch aus, bis sie, so schien es, wie Flammen die Decke des Domes erreichten. »Wie lange aber willst du noch zaudern, Gott Zions, bis dein Gericht vollendet ist!?«
    Die Donnerworte dröhnten durch die Gewölbe und ließen die Scheiben erzittern. Leichenblaß sah er aus, hatte schwarze Augen wie brennende Kohlen und ein Gesicht wie der Tod. Die zerlumpte braune Kutte schlotterte ihm um den Leib, als wäre darunter nichts als ein Gerippe verborgen. Er kam auf den Propst von Bernau zu sprechen, den die Berliner erschlagen hatten. Die Missetat lag zweiundzwanzig Jahre zurück, aber sie war unvergessen.
    »Nun, du Herr Zebaoth, du warst langmütig, du ließest sie strafen durch Bann und Interdikt, daß sie zur Besinnung kämen. Oh, es ist schrecklich, wo die Glocken verstummen auf den Kirchen, als hörte Gottes Stimme auf, zu den Menschen zu sprechen. Durch die zerstörten Kirchen heult der Wind, in den verbrannten Klöstern nistet die Dohle, in den zerstörten Kapellen wuchert die Nessel. Scharen von Priestern ziehen barfuß, bettelnd und frierend durchs Land. Ist denn da kein Herr im Lande, der sich ihrer erbarmte!? Nein, keiner!« Er brach ab, denn draußen war ein Gewitter heraufgezogen, und der Regen setzte ein, als sollte es eine neue Sintflut geben. »Nun, Herr, so öffne denn die Schleusen, aber nicht nur Wasser gieße aus, denn das ist zu schwach, deine Feuerströme sende nieder, wegzubrennen die Schande und den Frevel in diesem Lande! Nichts soll bleiben denn Kohle und Asche von der Rotte Korah!«
    Der Donner rollte mit höllischem Getöse, und der Wasserschwall schien die Scheiben einzudrücken. Die Frauen, die vorher nur geschluchzt hatten, schrien jetzt auf, und die Männer, die eben
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