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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent
Autoren: Jacques Berndorf
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sie sie jetzt gründlich zerstört.
    Dann kam die Kripo unter Leitung des Staatsanwaltes. Auch er war ein junger Mann, der sich zwar verzweifelt bemühte, souverän zu erscheinen, dessen Souveränität allerdings in weniger als drei Minuten vollkommen zerbröselte. Er sagte dauernd: »Ich ordne an!«, aber er ordnete eigentlich gar nichts an. Er war nur hektisch, und nach einer Weile seufzte er: »Ich weiß nicht, was das soll. So etwas ist doch nicht normal.«
    Sie entschieden sich schnell, dass es überhaupt keinen Sinn habe, weiter in dieser Wüstenei zu bleiben. Der Staatsanwalt sagte energisch: »Doktor Sauer, ich schlage vor, Sie nehmen die Leiche und machen sich daran, zu untersuchen, was es auf sich hat mit diesem Schaumstoff.« Dann sah er mich an und meinte: »Falls wir Sie noch brauchen, Herr Baumeister, melden wir uns.«
    »Ist recht«, sagte ich und schwang mich von meinem Hochsitz herunter.
    Sie schleppten eine Blechwanne herbei, legten den Toten hinein, stülpten den Deckel darüber und versuchten, den Transport einigermaßen würdig zu gestalten, was ihnen nicht eine Sekunde gelang.
    Mein Arzt kletterte neben mir her und murmelte: »Sagen Sie bloß niemandem, dass Sie Fotos gemacht haben.«
    »Habe ich doch gar nicht«, sagte ich. »Aber ich werde Sie anrufen, um zu erfahren, wie das weitergeht.«
    »Trinken Sie ein Bier mit mir?«
    »Kein Bier, aber einen Kaffee.«
    Wir fuhren also in die ›Tasse‹ nach Hillesheim, hockten an der Bar, schlürften Bier und Kaffee, hingen unseren Gedanken nach und hörten sehr ordentlichen Swing.
    Die Geschichte hatte sich bereits herumgesprochen, und nach einer Viertelstunde kam eine aufgeregte Siebzehnjährige hereingestürmt und sagte mit heller und sehr zufriedener Stimme: »Leute, endlich ist was los in diesem Kaff. Jemand ist in den Wald gelatscht und hat sich mit Isoliermasse erstickt.«
    So schnell wandern Nachrichten in der Eifel. Du gehst stolpernd mit einer furchtsamen Katze durch den Wald und findest einen älteren Mann mit einem Bauch voll Plastik inmitten einer Wüstenei aus zertrümmerten Bäumen. Du denkst: Jetzt muss etwas geschehen, jetzt muss es hektisch werden, jetzt müssen geheimnisvolle, brutale Ereignisse stattfinden, Enthüllungen kommen.
    Aber es geschieht nichts.
    In den Eifelkneipen hockten unterdessen die Menschen zusammen und sprachen über etwas, das sie nicht gesehen hatten, von dem sie über Dritte erfahren hatten. Sie mutmaßten, sie tuschelten, sie wollten gehört haben … aber sie wussten nichts. Einige von ihnen fragten mich, wie es denn wirklich gewesen sei, und ich erzählte ihnen von dem unbekannten Mann mit der schaumigen harten Masse im Leib. Ich rief den Arzt an, er wusste nichts, hatte nichts Neues gehört, war nicht gefragt worden.
    Am vierten Tag geschah etwas. Alle Zeitungen brachten das Foto des Toten und fragten, ob irgendjemand ihn identifizieren könne. Es hieß, er sei in einem Waldstück bei Hillesheim gefunden worden, nichts sonst, kein Wort von der Fracht in seinem Bauch.
    Am fünften Tag packte mich die Wut, und ich setzte mich in das Wartezimmer des Arztes und behauptete, unter einem schlimmen Erschöpfungszustand zu leiden. Noch ehe er mir mit seinen Pillen, Pulvern und Tränken zu Leibe rücken konnte, sagte ich: »Ich will wissen, was mit diesem Toten ist. Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie gar nichts wissen.«
    »Ich weiß jedenfalls nicht viel«, sagte er dumpf. »Und man sagte mir, ich solle gar nichts sagen. Schon gar nicht Ihnen! Man sagte mir, das sei absolut kein Fall für die Presse.«
    »Das ist nicht fair. Ich habe ihn gefunden.«
    »Weiß ich ja.« Er machte eine hilflose Geste mit den Armen.
    »Wie ist der Mann in den Wald gekommen?«
    »Wie bitte?«
    »Ich fragte: Wie ist er mitten in den Windbruch gekommen? Hat man ein Fahrrad gefunden, ein Auto, irgendetwas?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nichts. Die Polizei hat absolut nichts gefunden. Er ist eben ein Mann. Um die fünfzig Jahre alt, Blutgruppe Null. Ziemlich gesund. Keine Organschäden. Wahrscheinlich ein Schreibtischmensch, keine Spuren von körperlicher Arbeit. Er hatte übrigens kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr.«
    »Und wie lange war er schon tot, als ich ihn fand?«
    »Ziemlich genau drei Tage. Er ist also Sonntag vor die Hunde gegangen.« Das war für ihn schon ein starker Ausdruck, das passte nicht zu ihm.
    »An was ist er gestorben?«
    »Das Zeug, also die Masse, hat ihn innerlich zerrissen. Nun muss es aber genug sein.« Es
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