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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent
Autoren: Jacques Berndorf
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machte ihm Kummer, und meine Hartnäckigkeit machte ihn wütend.
    »Er ist also in den Windbruch gegangen, hat sich ein Loch in den Bauch geschnitten und die Plastikmasse eingepresst?«
    »Reden Sie kein dummes Zeug. Alles in der Art würde bedeuten, dass wir ein Gerät hätten finden müssen, eine Pumpe, eine Spritze.« Er seufzte und setzte hinzu: »Ich habe noch eine Menge Patienten. Die Grippe grassiert.«
    »Die Grippe kann warten. Wie ist er in diesen Dschungel gekommen?«
    »Irgendjemand hat ihn getragen.«
    »Ein Mensch allein schafft das nicht.«
    »Gut. Also, es waren zwei. Sie haben ihn samt dem Zeug in seinem Bauch dorthin getragen und einfach abgesetzt.«
    »Also Mord?«
    Er breitete die Arme aus und faltete dann die Hände.
    »Die Experten sind sich nicht einig. Es sieht wie ein Mord aus, aber es kann auch ein Unfall gewesen sein, ein Arbeitsunfall zum Beispiel.«
    »Sie sind nicht auskunftsfreudiger als ein Stück Emmentaler.«
    »Ich darf nichts sagen.«
    »Ich verrate aber doch nichts.«
    »Jeder wird wissen, dass Sie alles das nur von mir gehört haben können.«
    »Wieso denn eigentlich ein Arbeitsunfall?«
    Er lächelte, machte seine Augen ganz klein und meinte leise: »Stellen Sie sich folgendes vor: Eine Gruppe Männer will ein Schwein schlachten oder ein Rind. Das Messer gleitet ab und fährt einem der Männer in den Unterbauch. Sie wissen, dass derartige Unfälle hier auf dem Lande nicht einmal selten sind. Der Mann schneidet sich die Hauptschlagader an. In ihrer Verzweiflung pressen die Männer nun Kunststoff in die Wunde. Der Mann stirbt, und sie schleppen ihn in ihrer Hilflosigkeit in den Windbruch und setzen ihn dort ab.«
    »Grimms Märchen. Warum sollen diese ominösen Männer denn ein Geheimnis daraus machen, dass sie irgendein Tier schlachten wollten?«
    Er sah mich an, als wolle er mich auf etwas hinweisen, ohne es aussprechen zu müssen. »Aha. Dann hätte die Autopsie also einen Schnitt, einen Messerstich oder so etwas ergeben. War das der Fall?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Verwundung vor der Einbringung dieser komischen Masse.« Er lächelte matt.
    »Also mit anderen Worten: Mord mittels Isoliermasse. Wieso muss ich Ihnen die Würmer eigentlich einzeln aus der Nase ziehen? Hat man denn eine ungefähre Ahnung, wer der Tote ist?«
    »Keine. Sie haben alle Polizeicomputer strapaziert, von Leipzig bis Frankfurt und von Rügen bis Garmisch. Nichts. Einen solchen Mann vermisst man nirgendwo. Nun kann es sein, dass er Ausländer ist und dass wir erst in Wochen erfahren, wer er ist.«
    »Ich weiß immer noch nicht, wie diese Schaumstoffmasse in ihn hineingekommen ist«, erinnerte ich ihn mahnend.
    »Man hat ihn damit erschossen«, sagte er. Er starrte fast amüsiert in mein wahrscheinlich ziemlich dümmliches Gesicht und meinte: »Als ich es erfuhr, habe ich genauso intelligent ausgesehen wie Sie.« Er rückte den Stuhl zurecht, beugte sich vor und sagte eindringlich: »Sie dürfen mich aber wirklich nicht verpfeifen. Es ist wohl so gewesen: Diese Schaumstoffmasse, die etwa einen Umfang von vier großen Männerfäusten hat, war ursprünglich zusammengepresst auf die Größe einer Patrone. Die Masse war überzogen mit einer Art Lack. Die Kugel wird verschossen, prallt auf, der Lack zerreißt, und die Schaumstoffmasse quillt im Bruchteil einer Sekunde auf. Sie bläst sich auf etwa das Dreihundertfache ihres Ursprungsvolumens auf. Sie zerreißt dabei das Gewebe, in dem sie steckt.«
    »Das ist brutal«, flüsterte ich.
    Er nickte. »Das ist es. Eigentlich ist es völlig gleich, an welcher Stelle des Körpers Sie getroffen werden: Es zerreißt Sie. Das ist aber wirklich alles, was ich weiß.«
    »Und wer ermittelt in dieser Sache?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte er schnell, viel zu schnell.
    Ich seufzte. »Also lassen Sie es mich anders formulieren: Ich vermute, dass der Lack, der den Schaumstoff zusammenhielt, unbekannter Natur ist. OK?«
    »Ja, das Zeug ist unbekannt.«
    »Ich vermute weiter, dass auch der Schaumstoff nicht bekannt ist.«
    »Richtig«, meinte er zögernd. Und dann: »Und ehe Sie mir die nächste Frage stellen, antworte ich lieber freiwillig: Die Staatsanwaltschaften Trier und Wittlich haben diesen Fall abgeben müssen. Der Tote liegt in irgendeiner Eiskammer im Bundeswehrkrankenhaus Koblenz. Das Bundeskriminalamt hat die Nachforschungen aufgenommen. Einfach ausgedrückt, würde ich Ihnen raten, die Finger davon zu lassen, sonst können Sie sich aussuchen, von
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