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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent
Autoren: Jacques Berndorf
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Art. Wir müssen weit in den Bruch hinein.«
    Ich kletterte vor ihm her, und er fragte: »Warum finden Sie dauernd solche Dinge?«
    »Ich bin ein Sachensucher, ich stolpere darüber. Da ist er.«
    Er pfiff durch die Zähne. Dann stellte er die Tasche auf einen Stamm, beugte sich zu dem Gesicht des Toten hinunter und sagte: »Wir müssen ihn legen. Schaffen Sie das?«
    Ich nahm den Mann bei den Schultern und drehte ihn vorsichtig. »Jetzt ziehen Sie ihm mal das Oberteil des Anzugs vom Bauch«, sagte ich. Doch der Doktor betrachtete noch prüfend das Gesicht des Toten.
    »Noch nicht, noch nicht. Ich würde sagen, er kann hier bei den Temperaturen schon ein paar Tage liegen, aber es könnte auch wesentlich kürzer sein. Und was ist mit dem Bauch?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte ich, »das sieht jedenfalls scheußlich aus.«
    Er nahm das Oberteil und zog es kräftig nach oben. Dann atmete er scharf ein.
    »Du lieber Himmel!«, flüsterte er. »Was ist das denn?«
    »Vielleicht hat ihn jemand erschossen«, meinte ich vorsichtig.
    »Erschossen?«, fragte er verblüfft. »Das ist doch kein Fleisch, das ist doch keine Wunde.« Mit einem spitzen Finger tippte er auf das, was so grauenhaft aussah. »Das ist Plastik«, sagte er. »Irgendein Kunststoff, Schaumstoff, was weiß ich.« Er war so verwirrt, dass er sich in dem klatschnassen Gras auf den Hosenboden setzte.
    »Wirklich Kunststoff?«
    »Aber ja«, sagte er. »Das ist so ähnlich wie das Zeug, mit dem man in Neubauten rund um die Fensterrahmen isoliert. Schauen Sie her.« Er griff mitten in das, was ich zuerst für eine blutige Fläche gehalten hatte, brach einfach ein Stück der Masse ab und hielt sie auf der Handfläche. »Schaumstoff. Man sieht ja auch, dass das kaum geblutet hat. Das hat wie ein Korken gewirkt.«
    »Haben Sie inzwischen eine Meinung, wie lange er hier liegt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich müsste ihn genauer untersuchen. Das kann ich hier nicht. Ich muss auch die Kripo holen. Verdammt noch mal, dass das ausgerechnet mir passiert. Wir wollen drei Tage mit den Kindern weg.«
    »Lieber Himmel. Wer jagt einem Menschen Schaumstoff in den Körper?«
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. So etwas habe ich noch nie gesehen. Da müssen Fachleute ran. Ich würde sagen, dass die Kunststofffläche fast zwanzig Zentimeter Durchmesser hat. Nehmen wir mal an …« Er murmelte irgendetwas, das ich nicht verstand, schüttelte den Kopf, stand auf und fragte: »Gehen Sie bitte an meinen Wagen und rufen Sie die Polizei? Und bringen Sie mir bitte die Polaroidkamera mit. Im Handschuhfach. Und sagen Sie meiner Frau, ich bin zum Abendessen nicht da. Sagen Sie ihr, was hier los ist.«
    Ich machte mich auf den Weg, ich rief die Polizei, ich funkte seine Frau an und richtete aus, was er mir aufgetragen hatte. »Er wird nicht zum Abendessen da sein.«
    »Ich habe mir immer sehnlichst gewünscht, mit einem Landarzt verheiratet zu sein«, seufzte sie. »Was ist denn das für ein Toter?«
    »Wir wissen es nicht. Irgendeiner, der aussieht wie ein Jogger, und der einen Bauch voll Schaumstoff hat.«
    »Voll was?«, fragte sie erstickt.
    »Schaumstoff«, sagte ich. Dann hängte ich ein, nahm die Polaroid und brachte sie ihrem Mann. Er machte ungefähr zwanzig Aufnahmen. Dann schob er mir einen Film rein, grinste müde und sagte: »Da ich annehme, dass Sie das für Ihr Raritätenkabinett haben wollen, legen Sie los.«
    »Danke«, murmelte ich. Ich machte zehn Aufnahmen und steckte sie ein. Dann hörten wir ein Auto aufheulen und anhalten. Es musste der Streifenwagen sein, er war aus Gerolstein gekommen.
    Das Erste, was wir sahen, war eine grüne Polizeidienstmütze, die grotesk schief über einem feuerroten Gesicht thronte. Dann sah der Beamte den Toten und die Kunststofffläche an dessen Bauch. Seine Augen wurden groß und rund, und er übergab sich. Er war ein junger Mann.
    Ich hockte mich auf einen der Stämme, die in etwa drei Meter Höhe über den Fundort ragten, und beobachtete, was die Polizisten unternahmen; ein zweiter, etwas älterer Beamter war inzwischen auch eingetroffen. Sie unternahmen nichts. Sie traten unruhig von einem Bein auf das andere, machten ein paar Schritte, sahen den Toten an, machten wieder ein paar Schritte, beugten sich zu dem Toten hinab, besahen die merkwürdige Fläche im Bauch, streckten den Zeigefinger aus, als wollten sie hineintippen, ließen es dann und machten wieder ein paar Schritte.
    Falls dort irgendwelche Spuren gewesen waren, so hatten
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