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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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Stockwerk zum nächsten schlängelte, hat sich nun geöffnet und die Decke einstürzen lassen. Die Rohrleitungen sind durchgerostet, und das saubere Wasser hat sich mit dem Abwasser vermischt und überflutet die Bänke, Schiefertafeln, Pulte.
    Zu guter Letzt hat das Dach alles unter sich begraben, ist in sich zusammengestürzt, in Blöcke zerfallen, die ihrerseits zerborsten sind, sich in Staub und Erde, in feine Körnchen verwandelt haben.
 
    Es kommt mir seltsam vor, die Kartons von meinen Ikea-Regalen zu nehmen, einen Schrank zu leeren, der so akkurat eingeräumt wurde, damit kein Kleidungsstück zu viel Platz wegnimmt, damit nichts sich mehr als notwendig breitmacht.
    Alles jetzt wieder auf den Boden zu befördern, erscheint mir wenig vernünftig: Es zerstört eine Harmonie, die sich auf wundersame Weise ergeben hat und die dieses Gleichgewicht braucht, um Wohlbehagen zu erzeugen.
    Oder zumindest ist das Margheritas Theorie.
    »Hast du Gianni angerufen?«
    »Noch nicht.«
    »Dann schieb es weiter auf.«
    Sie ist traurig. Das Monatsende naht. »Nehmen wir uns den Nachmittag frei?«
 
    Die Schule ist wieder zum Leben erwacht, wenn auch nur für eine Woche.
    Die Kollegen sind bereits drin, mühen sich mit den Klassenbüchern ab, den letzten Entscheidungen über Noten und Versetzungen.
    Vom Bürgersteig gegenüber blicken De Lucia und ich auf das Gymnasium und fordern es auf, uns zu verschlingen. »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Elf Jahre zuvor stand ich wie jetzt vor meinem damaligen Gymnasium. Die Lehrerin für Geschichte und Philosophie trat vor die Tür, befahl meinen Klassenkameraden, hereinzukommen, wodurch sie eine Selbstverwaltung der Schüler schon im Keim erstickte. Einige von uns blieben draußen, darunter auch ich.
    »Meine Abwesenheit wird die Notenkonferenz nicht platzen lassen, aber sie wird die Zahl der Streikenden erhöhen. Also ja: Ich bin sicher.«
    Etwas verlegen geht De Lucia ein paar Schritte in Richtung Eingang. »Die Vorstellung, eine anonyme Nummer unter vielen zu sein, hat mir nie gefallen.«
    »Es gibt keine anonymen Nummern«, erwidere ich.
    Er lächelt mich an.
    »Und du bist überzeugt, dass es eine gute Sache ist, die fünfzigtausendste zu sein?«
    »Ich bin überzeugt, dass zehn mehr vermögen als fünf. Wenn sich alle zehn einig sind.«
    »Demokratischer Impetus«, kommentiert De Lucia und sieht einem Kollegen nach, der hineingeht. Zauderer, der er ist, fährt er sich mit der Hand durch die Haare. Man sieht, dass es ihm schwerfällt.
    »Geh rein«, sage ich. »Du kommst zu spät.«
    De Lucia wägt meinen Tonfall ab, möchte eine Erlaubnis erhalten, die ich ihm geben werde für all die Male, in denen er mir während dieses Schuljahres beigestanden hat. Mein Biagini in Fleisch und Blut. Mein Professor.
    Nur aus Dankbarkeit lasse ich ihn gehen, ohne ein Wort der Enttäuschung zu äußern. Ich gestehe ihm zu, den zigsten Ehestreit zu vermeiden und die zigsten Magenschmerzen bei dem Gedanken an die gekürzte Besoldung nach einem Jahr des Streikens.
    Das Gymnasium schneidet eine beleidigte Grimasse, als ich ihm den Rücken zuwende. Stein ist dumm, begreift nichts.
 
    »Vorsicht!«
    Ich trete zur Seite und presse meine Tasche gegen die Brust.
    Idiot.
    »Savarese.«
    Bestimmt kommt er sich unwiderstehlich vor auf dem Mopedsattel. Während er mir den gekränkten und selbstsicheren Blick eines Menschen zuwirft, der alles unter Kontrolle hat, kann ich mir genau vorstellen, wie er sich als Sechzehnjähriger mit seinem ersten Motorroller gebärdet haben muss.
    »Du warst drauf und dran, sie umzubringen«, schreit Margherita und erhebt sich von der Treppe, um sich in die Mitte des Hofes zu uns zu gesellen.
    Savarese stöhnt.
    »Ich kenne schlimmere Arten, ihr auf den Sack zu gehen, ich bin schließlich Anwalt.«
    »Du hast es zum Laufen gebracht«, sage ich.
    Er räuspert sich, bis Margherita zugibt, dass es sein Verdienst ist.
    »Steig ab, ich will es selbst ausprobieren.«
    Savarese überlässt ihr den Platz auf dem Sattel. Sie dreht ein paarmal den Griff und riskiert dadurch, dass sich ein schon mitgenommener Motor festfrisst.
    »Um Gottes Willen, man denke doch an die Kinder!«, schreit Savarese. Margherita boxt nach ihm und fährt los, zieht ein paar Kreise im Hof.
    »Es ist ein schönes Geschenk. Zumindest dieses.«
    Savarese schüttelt den Kopf.
    »Ein Geschenk ist es eigentlich nicht.«
    Ich blicke ihn fragend an.
    »Im Fachjargon nennt man das unrechtmäßige Aneignung.«
    »Habt ihr es
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