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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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Nachttisch.
    »Ich habe ein Jahr verloren.«
    Margherita sagt nichts.
    Mit den Augen suche ich irgendetwas, das ich ihr überlassen kann wie ein Pfand des Vertrauens, ein Geschenk, das sie sich im Laufe der Monate verdient hat. Das Klingeln an der Tür macht jedes mögliche Gespräch zunichte.
    »Ich wette, das ist für dich«, murmelt sie, ohne sich von der Stelle zu rühren, mit einem zitternden Lächeln und einer Stimme, die erst am Ende des Satzes zu Kräften kommt. Sie ist traurig, kann es aber nicht erwarten, Gianni kennenzulernen.
 
    Die Sonne scheint, und alle sitzen auf den Stufen gegenüber der Uni. Das Sommersemester ist im vollen Gange: Die Tische des Cafés an der Ecke sind überfüllt, auf den Treppen des Palazzo Nuovo ist es ein ständiges Kommen und Gehen von Prüflingen und Prüfenden.
    Niemand kann umhin, einen Blick auf das Spruchband am Eingang zu werfen, das jenes herausfordert und kritisiert, das am Tor des Gymnasiums auf der gegenüberliegenden Straßenseite hängt.
    Zukunft und Krise begegnen sich in Rot und Blau: Das widerstandsfähige Überbleibsel der Kundgebung von heute Morgen.
    » Letterini in Aufruhr«, sagt Gianni. »Aber sei unbesorgt: Wir sind nicht in Gefahr.«
    »Im nächsten Jahr tritt die Universitätsreform in Kraft:Glaubst du nicht, es wird einen ernsthaften Protest geben?«
    »Bestimmt. In allen Blogs«, antwortet er.
    Zwei Typen versuchen, das Spruchband herunterzureißen, aber irgendjemand pfeift, und sie geben auf.
    Sie haben uns die Zukunft gestohlen bleibt oben stehen in seiner grauenvollen Phrasendrescherei, der Ungenauigkeit, die sich in Form von Slogans zur Wahrheit erklärt.  
    Die Leute auf dem Platz laufen durcheinander, Gianni redet, und an der Art, wie er atmet, an der Schnelligkeit, mit der er die bittersten Worte wählt, an der präzisen Absicht, die Arbeit, die er ausübt und über die wir nicht sprechen, nicht beim Namen zu nennen, an seinen Händen, mit denen er an den Jeans herumreibt, merke ich, dass er Zeit schindet. Also bleiben wir noch eine Weile auf der Treppe sitzen, unter dem Vorwand der Sonne und der frischen Luft, unterhalten uns über Politik und geteilte Schuld.
    »Wir müssen aufwachen«, sagt er, verfällt in Schweigen, spricht nicht mehr. Er hat verstanden.
    Als er in mein Zimmer ging, um seine Tasche abzustellen, sah er keinen einzigen fertig gepackten Karton. Er blickte sich um, schaute, ob sich seit seinem letzten Besuch irgendetwas darin verändert hatte, und entdeckte nichts.
    Jetzt, während er schweigt, spüre ich ein schmerzhaftes Stechen in der Magengegend. Meine Augen beginnen zu brennen, die Hände zu zittern: Ich liebe dich nicht mehr. Du hast es vor mir begriffen.
 
    Er hat seine Tasche geholt und wartet nun schweigend auf das Taxi.
    Er wird nicht weinen, nicht jetzt. Er wird zu den Kollegen ins Hotel gehen, wird sagen, dass er müde sei und jetzt duschen wolle. Mit einer Ausrede wird er das Abendessen auslassen und morgen, wenn er ins Flugzeug steigt, ein paar witzige Bemerkungen über den Chef machen und darüber, dass sich drei Passagiere einen Fallschirm teilen müssen. In Neapel wird er sich zum Haus seiner Eltern fahren lassen, zum Essen bleiben und danach seinem Bruder bei der Vorbereitung für das letzte Examen helfen. Falls sie ihn nach der Reise fragen sollten, wird er antworten, dass sie wie alle anderen verlaufen ist. Am Abend wird er sie anrufen und mit dem Auto abholen. Er wird ihr sagen, dass er bereit sei, oder er wird ihr nichts sagen. Sie wird von selbst merken, wie es gelaufen ist, dass von nun an alles einfacher sein wird. Sollte ihr ein Zweifel bleiben, wird er ihn vertreiben oder sie wird lernen, damit zu leben wie mit einem bitteren Geschmack im Mund. Sie wird sich jedoch sicher fühlen können, gesegnet mit einem endlich vollkommenen Glück, auf das sie sich verlassen kann. Ihrem Glück.
    »Halte durch«, sagt Gianni. Ich lasse mir von ihm die Wange streicheln, seine Hand darauf legen, ohne das Gesicht wegzudrehen. Nur er vermag den stechenden Schmerz zu spüren, der sich von meiner Brust zu den Beinen ausbreitet, in alle Richtungen.
    Ich weiß nicht, wann er weinen wird. Ich fange schon jetzt damit an, während er dem Taxi bedeutet anzuhalten und sich umdreht, mir zulächelt, sich die Tasche auf der Schulter zurechtrückt.
    »Vielleicht haben sie uns unterwegs was geklaut«, sagt er noch. »Was soll's: So reisen wir mit leichtem Gepäck.«
    Ich küsse ihn auf die Wange, heftig. Er wischt sich mit den
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