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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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Namen.
    »Barellieri.«
    »Hier.«
    »Halt, nein«, sage ich sofort. »Zeichnen wir ihn hierhin. Schau her: Meiner Meinung nach müsste hier noch ein Bogen hin.«
    Andrea hört mir nicht zu und leert sein Mäppchen auf der Suche nach einem anderen Radiergummi.
    »Mancini, Morelli. Olla, Pautasso.«
    Seine Finger bewegen sich schnell, werfen alles aus dem Mäppchen, was nicht radiert. Der schwarz-gelbe Bleistift scheint am hinteren Ende einen winzigen, nahezu aufgebrauchten Radiergummi zu haben. Besser als nichts.
    Andrea radiert los, drückt das Blatt mit der anderen Hand auf die Tischplatte.
    »Scinica und Zizzari«, beendet Nicolini die Anwesenheitsüberprüfung. Er macht das Klassenbuch zu und lässt sich ein Buch geben.
    »Riccardi!«
    »Andrea«, murmele ich. »Du bist noch nicht fertig.«
    »Riccardi!«, brüllt er von Neuem.
    Nicolini lässt sich gegen die Rückenlehne seines Stuhls fallen. Stöhnt.
    »Riccardi, Riccardi, Riccardi!«
    Andrea erhebt sich, stößt den Stuhl nach hinten. Ich bin sofort bei ihm, fahre mit der Hand vor seinen Augen hin und her, um ihn abzulenken.
    »Schon gut, jetzt beruhige dich aber.«
    Nicolini reibt sich die Augen.
    »So, haben wir den Unterricht jetzt also beendet«, sagt er. Irgendjemand lacht.
    »Andrea, nein!«
    Ich vermag ihn nicht festzuhalten, bin nur ein Mensch, er hingegen eine Furie, die sich nach vorne stürzt, den Bleistift auf den Lehrer gerichtet, ein Vulkan, der inmitten von uns auszubrechen droht.
    »Andrea!«
    Ich packe ihn von hinten an den Schultern, er stürzt sich auf das Pult, versucht, an Nicolini heranzukommen. Der weicht mit rotem Gesicht zurück. Brille und Klassenbuch fallen auf den Boden.
    »Halt ihn doch mal fest.«
    Andrea ist nicht zu bremsen. Mit aller Kraft versucht er, sich durchzusetzen, auf Nicolini loszugehen.
    »Bleib stehen!«, schreie ich, bin kurz davor, ihm zuzurufen, dass der Leguan das nicht will, dass er aufhören soll, den Psycho zu spielen, weil wir wirklich nicht mehr können.
    Ich packe ihn am T-Shirt, halte ihn fest.
    Nicolini weicht bis zur Wand zurück. Die Arme erhoben, um sich zu schützen.
    »Andrea«, sage ich.
    Sonst nichts.
    Ich habe jetzt verstanden.
    Ich halte ihn in meinen Armen, spüre ihn zittern, und mir ist klar: Der Leguan will es. Er will, dass wir einen Bleistift nehmen und ihn ins Auge oder in den Bauch dieses Scheißkerls stechen, dass wir ihn leiden lassen, wie er uns jedes Mal leiden lässt, wo er es uns ersparen könnte und es nicht tut.
    Andrea stampft auf, wirft sich nach vorn, zieht mich mit sich.
    »Willst du mir wehtun, Andrea?«, frage ich. Auch ich fange an zu zittern. Wenn er mich auf den Boden stoßen möchte, stehe ich ihm nicht im Weg.
    »Nein«, antwortet er. Ich muss ihn nur ein wenig anschieben, und schon lässt er sich hinausführen, die Treppe hinunter bis in Klassenzimmer 9. Ich sehe ihn noch ein wenig auf dem Stuhl schaukeln, dann gebe ich ihm ein Blatt und einen Filzstift, warte darauf, dass er zu zeichnen beginnt.
    »Entschuldigt, störe ich euch?«
    Die Kollegin betritt das Klassenzimmer und schiebt den Rollstuhl zum Computer.
    »Nein«, sage ich.
    Nun ist er ruhig, still.
    Idras Schultern ziehen sich zusammen, während sie auf das Rad schlägt, eine Hand in den Mund steckt und sich beißt. Sie ist das Mädchen von Aljoscha Karamasow, das alles in Brand setzen will, während es uns von seinem Rollstuhl aus beobachtet, und sich freut, uns brennen zu sehen.

19
    Was machen Enten im Winter? Wo waren diese Enten, als der Po begann, die Murazzi zu überschwemmen und versuchte, die Enten zu vertreiben?
    Vielleicht gibt es einen natürlichen Imperativ, der über das »Pass dich an oder stirb« hinausgeht und auf der Flucht beruht. Hau ab, wenn es brenzlig wird. Kehr nach Hause zurück und bleib dort. Nur für ein Weilchen natürlich, bis es wieder anfängt, schlimm zu werden: Dann pack deine Koffer.
    Falls der Nektar das Problem ist, muss man es wie die Biene machen und von einer Blüte zur anderen fliegen, so rasch wie möglich. Eine vertretbare Flexibilität. Eine angemessene Unbeständigkeit.
    »Hey.«
    Was wird aus den Bienen im Winter?
    »Was beobachtest du da?«
    »Die Enten.«
    Margherita blickt von der Brücke hinab. Unter uns fahren sich einige Gänse mit dem Schnabel durch ihr Gefieder auf der Suche nach essbaren Überresten. Enten mit schwarzen und grünen Flecken tauchen halb unter, schütteln dann die Wassertropfen ab, schlenkern wie besessen die Hälse.
    »Interessant«, bemerkt
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