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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B.
Autoren: Willi Faehrmann
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brannte, auf einem Porzellanteller festgepappt, eine dünne Stearinkerze. Döblin lag flach auf dem Rücken. Er atmete nicht mehr.
    »Sind Sie Deutsche? Sind Sie Verwandte?«, fragte der Priester.
    »Verwandt sind wir nicht. Aber er ist aus unserem Dorf«, antwortete der alte Mann.
    »Ich habe ihn nicht mehr verstehen können«, sagte der Priester. »Er sprach, glaube ich, deutsch. Ich komme aus Italien. Er ist ruhig gestorben, als ich ihm die Krankensalbung gab.«
    Der alte Mann und der Junge standen am Fuß des Bettes und schauten Döblin an. Nach einer Weile sagte der Junge: »Und er wollte so gern in die Heimat zurück.«
    »Genau da ist er angekommen«, sagte der Priester. Er stand auf und drängte die Gaffer hinaus. Nur die Vermieterin durfte bleiben. Mit ihr regelte er, was für die Beerdigung zu tun war. Es gab eine Menge Laufereien, weil der alte Mann darauf bestand, dass Döblin schon am nächsten Tag beerdigt werden sollte. Es wurde eine armselige Beerdigung. Außer dem Pfarrer und einem gähnenden Messdiener waren nur der Junge, der alte Mann und die Vermieterin gekommen. Die Frau weinte, als ob mit Döblin ein naher Angehöriger von ihr gestorben sei. Irgendwie musste sie der Tod des Zimmermanns wirklich berührt haben, denn als der Junge die Rechnung für Quartier und Kost begleichen wollte, weigerte sie sich für Döblin auch nur einen Cent anzunehmen.
    »Er hat nicht übernachtet, er hat nichts gegessen«, sagte sie bestimmt. »Wofür soll er bezahlen?«
    Der Mann auf dem Kontor zeigte sich weniger verständnisvoll. Er wollte die Summe für die Überfahrt keineswegs ganz zurückzahlen und erklärte sich erst nach langen Verhandlungen bereit sich mit der Hälfte der Gebühr zufrieden zu geben, wenn er die dritte Koje in der Kajüte zur freien Verfügung hätte. Sollte sich ein männlicher Passagier finden, dann wollte er ein weiteres Viertel zurückzahlen. Dagegen hatte weder der alte Mann noch der Junge etwas einzuwenden.
    Rechtzeitig gingen sie an Bord des Schiffes. Die »Donau« war ein langes, schlankes Eisenschiff mit einem Schornstein und der Besegelung einer kleinen Bark. Die Kajütenpassagiere bekamen achtern ihre Kojen zugewiesen.
    Als die »Donau« aus dem Hafen geschleppt wurde, brachte der Steward einen bescheiden grüßenden Mann in die Kajüte. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, trug einen schwarzen Gehrock und stellte sich mit einer knappen Verbeugung vor: »William Passlinger, wenn Sie gestatten.«
    Auch der alte Mann und der Junge nannten ihre Namen. Doch dann kümmerten sie sich nicht mehr um ihren neuen Kabinengenossen. Der Steward entdeckte die Bilderkisten, die noch in dem engen Gang zur Kajüte hin abgestellt waren.
    »Wir schaffen diese Kisten zu uns in die Kajüte«, beteuerte der alte Mann. Aber der Steward war damit nicht einverstanden und holte den Deckoffizier herbei.
    »Es ist ein Geschenk von meinem Vater«, sagte der Junge. »Ich will es nicht aus den Augen lassen.«
    »Wir haben unsere Vorschriften«, entgegnete der Deckoffizier und klopfte auf ein schmales, grünes Buch, das er in seinem Ärmelaufschlag stecken hatte. »Nur Handgepäck in die Kajüten.«
    »Was versteht man unter Handgepäck?«, fragte der Junge.
    »Dumme Frage, Gepäck selbstverständlich, das man mit sich tragen kann.«
    »Zeigen wir’s ihm, Großvater«, sagte der Junge. Der alte Mann begriff, was der Junge wollte, zögerte aber noch. Da trat Herr Passlinger hinzu und wandte sich an den Deckoffizier: »Mich stört das nicht, wenn die Kisten in unserer Kajüte stehen.«
    Sie legten die flachen Kisten aufeinander, das Ölpapierpaket und ihre Taschen oben darauf und hoben das Gepäck ohne großen Kraftaufwand an.
    »Handgepäck«, sagte der Junge, »Handgepäck ist das, was man mit sich tragen kann.«
    Der Deckoffizier wollte einschreiten, aber Herr Passlinger redete leise auf ihn ein und es schien, als ob er irgendetwas hinter das grüne Heft in den Ärmelaufschlag des Offiziers steckte. »Für die Hinterbliebenen der Seefahrt«, murmelte er. Es ist nicht zu sagen, ob nun Herrn Passlingers Worte oder die von ihm gewählten wortlosen Argumente mehr bewirkten, jedenfalls zeigte sich der Deckoffizier großzügig und ließ die Männer gewähren.
    Die Gepäckstücke machten die Kajüte allerdings eng und unwohnlich. Herrn Passlinger schien das jedoch nicht zu stören. Er war gleichbleibend freundlich und zurückhaltend.
    »Hoffentlich haben wir nicht zu schwere See«, sagte der alte Mann. Zur
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