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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B.
Autoren: Willi Faehrmann
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ein anderes Bild.
    »Die Bilder auf den Schubladenbrettern sollen auch nicht verkauft werden«, entschied der Junge.
    »Sie haben den richtigen Verkäuferinstinkt«, lobte ihn Herr Passlinger. »Schreiben Sie schnell kleine Schilder mit dem Wort ›unverkäuflich‹ und heften Sie sie neben die Bilder. Das erhöht den Reiz für die Käufer.«
    Die Passagiere fanden die Bilder schön.
    »Hinreißend«, sagten die Frauen.
    »Respektabel, respektabel«, sagten die Männer. Und alle schauten sie aus den Augenwinkeln auf William Passlinger und horchten auf sein Urteil. Sie waren etwas unsicher, ob die klaren, sehr genau gemalten Bilder wirkliche Kunst waren. Aber der Kapitän hatte die Passagiere wissen lassen, dass die »Donau« die Ehre habe einen großen Kunstkenner, Herrn Brauereibesitzer Passlinger, an Bord zu haben. Und der musste es doch wissen. Bereits am ersten Abend waren sechzehn Bilder so gut wie verkauft. Nach drei Tagen stieß beim Abendessen der alte Mann den Jungen in die Seite und drängte ihn: »Los, Luke, red schon.« Dann schlug er mit der Gabel an sein Glas.
    Es wurde still. Der Junge stand auf und sagte laut: »Meine Damen und Herren. Ich möchte Ihnen danken. Sie haben die Bilder meines Vaters gelobt und schön gefunden. Dafür möchte ich Ihnen danken. Ich muss Ihnen mitteilen, dass inzwischen genau zwanzig Bilder verkauft worden sind. Ich möchte die anderen mit nach Hause nehmen. Sie sind ein Geschenk meines Vaters.« Enttäuschung malte sich auf einigen Gesichtern. Aber der Junge blieb bei seinem Wort, selbst als eine große, in kostbare gelbe Seide gehüllte Dame ihm sechzig Dollar für ein Bild bot, auf dem die feurigen Ahornwälder des Indianersommers zu sehen waren. Der Kapitän bedankte sich im Namen der Passagiere und Offiziere bei den Bienmanns und bei Herrn Passlinger für die gelungene Ausstellung, die das sonst etwas triste Leben an Bord abwechslungsreich gemacht habe. Am vorletzten Tag der Reise packte der Junge den Rest der Bilder in eine Kiste und schnürte die Schubladenbilder wieder in das Ölpapier ein. Herr Passlinger blieb während der ganzen Zeit bei ihm und schaute sich jedes einzelne Bild so an, als müsse er von guten Bekannten Abschied nehmen. Bei jedem Bild murmelte es leise vor sich hin. Es war, als ob er mit ihnen redete.
    »Wirklich eine Entdeckung«, sagte er immer wieder.
    Dann sprach er den Jungen an: »Wenn ich, Luke, in ein paar Monaten wieder in den Staaten bin, dann werde ich mich mit Ihrem Vater in Verbindung setzen. Mir sind die meisten Kunsthändler im Osten bekannt. Die werden sich die Finger nach einem solchen Maler lecken.«
    Er zog aus seiner Brieftasche eine kleine, weiße Karte hervor. »Lesen Sie, was darauf steht«, bat er den Jungen. In zierlichen, verschnörkelten Buchstaben waren Name und Anschrift von Herrn Passlinger auf der Karte gedruckt. Außerdem stand quer darüber: Trinken Sie das gute Bier der Brüder Passlinger. »Solche Sprüche denkt sich mein Bruder aus. Er behauptet: ›Wer nicht wirbt, der stirbt‹«, sagte Herr Passlinger.
    »Ich gebe Ihnen diese Karte, Luke. Wenn Sie etwas von Ihrem Vater hören, dann schreiben Sie mir bitte.«
    »Aber Sie können doch gar nicht lesen«, neckte der Junge ihn.
    »In meinem Büro habe ich mehr als zwanzig Männer angestellt, die ausgezeichnet lesen können«, antwortete Herr Passlinger ernst.
    »Sie können sich auch bei Bruno Warich erkundigen«, sagte der Junge. »Ich werde ihm nach St. Louis schreiben, dass mein Vater sich mit Ihnen in Verbindung setzen soll. Ich nehme an, dass Vater mit ihm in Kontakt bleibt.«
    »Das ist gut«, sagte Herr Passlinger.
    Der Junge stellte das Ölpapierpaket neben die Kajütentür.
    »Ich wollte Ihnen noch etwas sagen, Luke, bevor wir morgen auseinander gehen. Ich bin nicht sicher, ob Sie es selber wissen, aber Sie haben ein bemerkenswertes kaufmännisches Talent. Sie gehen mit den Kunden um, dass es eine Freude ist, Ihnen zuzusehen. Sollten Sie je eine Stelle suchen, in der Brauerei der Passlinger-Brüder werden Sie eine finden.«
    Der Junge dachte in der letzten Nacht an Bord lange über die Worte von Herrn Passlinger nach. Was ihn schon seit Wochen bewegte, das stellte sich immer schärfer als entscheidende Frage. Sollte er mit dem alten Mann gemeinsam die Zimmerei neu aufbauen? Sollte er versuchen ein Bildschnitzer zu werden? Gab es eine Möglichkeit das Geschäft in Leschinen zu betreiben? Wenn er an das Geschäft dachte, dann erfüllte ihn das mit tausend
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