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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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wurde: Hier im Haus ist sonst niemand.«
    »Und im Vorderhaus?«
    »Da sind im Moment nur zwei Wohnungen vermietet. In der einen wohnt ein alter Mann, der beinahe taub ist. In der anderen ein älteres Ehepaar, zur Zeit verreist.«
    »Wieso wohnen hier so wenig Leute? Soll das Vorderhaus auch abgerissen werden?«
    »Nein, die Wohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Der Hausbesitzer will alle Leute raushaben. Er vermietet nicht mehr neu, wenn jemand ausgezogen ist.«
    »Gut. Verteilt euch nachher, und fragt in der Nachbarschaft nach. – Wann kannst du mir mehr sagen, Brigitte?«
    »Im Lauf des Tages, eher gegen Abend. Zaubern kann ich nämlich noch nicht.«
    Brigitte Foucarts Mitarbeiter legten den Leichnam in einen Plastiksack. LaBréa und seine Mitarbeiter begannen mit der Durchsuchung der Wohnung.
    Im nächsten Moment ertönten Schritte. Ermittlungsrichter Couperin war eingetroffen. Er trug seinen altmodischen Fischgrätmantel, einen grauen Hut wie aus den dreißiger Jahren und wirkte betont distanziert. Mit einer Handbewegung stoppte er die Mitarbeiter der Gerichtsmedizinerin, die soeben den Leichensack verschließen wollten, und beugte sich mit hinter dem Rücken verschränkten Händen über das Opfer.
    »Schon irgendwelche Erkenntnisse, Commissaire?«, fragte er LaBréa kühl.
    »Noch nicht, Monsieur le Juge. Wir fangen gerade erst an.«
    »Ein einziger Schuss, wie es scheint.« Sein Blick schweifte durch den Raum. »So wie es hier aussieht, gab es für den Mörder nichts zu holen. Es sei denn, es ging um Drogen oder es handelt sich um einen Racheakt. Vielleicht war der Mann ein kleiner Dealer, der zu gierig wurde. Eine Beziehungstat käme natürlich auch infrage.« Couperin atmete tief durch. »Rufen Sie mich an, wenn Sie einen Verdächtigen präsentieren können.« Er blickte auf die Uhr. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden … Während meiner Abwesenheit hat sich eine Menge Arbeit angesammelt.« Er warf LaBréa einen letzten, eisigen Blick zu und verließ den Tatort.
    Als er außer Sichtweite war, verzog Franck das Gesicht.
    »O Mann, der ist ja immer noch stinksauer! Ich hätte gar nicht gedacht, dass er so nachtragend sein kann.«
    »Ich auch nicht, Franck.«
    Corinne, die junge Technikerin der Spurensicherung, kam jetzt zu LaBréa.
    »Hier, Commissaire, das war unter den kaputten Fernseher gerutscht. Wir haben alles in dem Umfeld abgesucht, wo möglicherweise die Schussbahn verlaufen ist.« Sie reichte ihm ein Projektil. Es war leicht verbogen und knapp zweieinhalb Zentimeter lang. LaBréa zog einen dünnen Gummihandschuh über, nahm es vorsichtig zwischen Zeigefinger und Daumen und betrachtete es genau.
    »Wie ich schon sagte«, meinte er zu Franck. »Großkalibrig.«
    »Darf ich mal sehen, Chef?«
    LaBréa legte das Projektil auf Francks flache Hand, die ebenfalls durch einen Gummihandschuh geschützt war.
    »Sieht aus wie Kaliber .45 ACP. Aber ich kann mich auch irren. Wir brauchen die Geschosshülse, dann sehen wir den Waffentyp und das Kaliber. Wenn wir Pech haben, hat der Täter die Hülse mitgenommen. Die Tatwaffe könnte eine Glock 21 sein, wenn ich mit dem Munitionstyp richtigliege.« Er steckte das Projektil in eine kleine Plastiktüte und ließ sie in die Tasche seines Lederblousons gleiten.
    LaBréa deutete auf die Haufen herumliegender Kleidungsstücke. »Nehmen Sie sich sämtliche Kleidungsstücke vor«, bat er Jean-Marc. Er blickte auf seine Armbanduhr. Drei viertel zwölf. Céline befand sich vermutlich bereits auf dem Nachhauseweg. LaBréa ging nach draußen in den gepflasterten Innenhof und drückte die Kurzwahltaste für Célines Handynummer. Sie meldete sich gleich.
    »Hallo, Céline. Ich wollte nur kurz fragen, wie es bei der Ärztin war.«
    »Alles bestens, Maurice. Auf dem Ultraschallbild erkennt man schon das kleine Näschen, sogar die winzigen Fingernägel. Dr. Dumont hat das Bild ausgedruckt. Damit du es dir ansehen kannst.«
    LaBréa lächelte und schloss einen Moment die Augen. Céline war im dritten Monat schwanger; LaBréa und sie erwarteten ihr erstes Kind. Ein Gefühl von Dankbarkeit und Glück durchströmte ihn und ließ ihn einen Moment alles vergessen. Den Mordfall in dieser schäbigen Behausung im Schatten von Notre-Dame; das schwierige Verhältnis zu Couperin; die zähen Ermittlungen, die vor ihm lagen. Er würde zum zweiten Mal Vater werden, und Jenny hatte diese Tatsache erstaunlich gelassen, ja sogar mit einer gewissen Vorfeude aufgenommen. In
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