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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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Schultern.
    »Das ist nun mal sein Job, Jenny. Dann sehen wir uns die Ausstellung eben allein an. Da kommen noch wahnsinnig interessante Bilder. Charlotte Corday – weißt du, wer das war?«
    Jenny nickte.
    »Klar. In Geschichte sind wir ja gerade bei der Französischen Revolution. Unser Geschichtslehrer hat gesagt, Marat war ein Despot, und Charlotte Corday hätte mit seiner Ermordung der blutigen Herrschaft der Jakobiner ein Ende machen wollen.«
    Auf dem Museumsvorplatz empfing LaBréa ein trüber Spätherbsttag. Ein kalter Wind fegte durch die Straßen. Die Schlange der Menschen, die vor dem Eingang des Museums warteten, war lang. Die Ausstellung »Schuld und Sühne« galt als eines der Highlights unter den aktuellen Veranstaltungen in Paris.
    LaBréa lenkte seine Schritte Richtung Quai Voltaire. Er nahm sein Handy und wählte die Nummer von Ermittlungsrichter Joseph Couperin. Zwischen ihm und LaBréa hatte es im Sommer ein schweres Zerwürfnis gegeben. Im Zusammenhang mit der Zerschlagung eines Kinderschänderrings war Couperin der Fall des toten Jungen aus der Seine entzogen worden. An seiner Stelle leitete die junge Richterin Virginie Allard die Ermittlungen. Rasch und unkonventionell hatte sie LaBréa und seinen Leuten den Weg zu einer ungewöhnlichen Polizeiaktion geebnet. In den darauffolgenden Wochen hatte Direktor Thibon alles dafür getan, seinen Intimfeind Couperin versetzen zu lassen. Doch der Gerichtspräsident, der große Stücke auf Couperin hielt, wusste dies zu verhindern. Im Anschluss an den zermürbenden Machtkampf zwischen Polizeidirektion und Justizpalast hatte Couperin sich krankgemeldet und war danach zu einem längeren Kuraufenthalt ans Meer gefahren. Nun versah er seit einigen Tagen wieder seinen Dienst, und LaBréa musste weiterhin mit ihm zusammenarbeiten. Ob das gute Vertrauensverhältnis von früher zwischen ihnen je wiederherzustellen war?
    Couperin meldete sich nach dreimaligem Klingeln. Nachdem LaBréa ihn über das Wichtigste informiert hatte, erklärte der Ermittlungsrichter, er wäre in einer halben Stunde am Tatort. Seine Stimme klang steif und förmlich.
    Am Pont Neuf überquerte LaBréa den Seitenarm der Seine, ging an seinem Bürogebäude am Quai des Orfèvres vorbei und erreichte wenig später den Platz vor Notre-Dame. Dort parkten die üblichen Touristenbusse. Zum ersten Mal seit Jahren war kein Baugerüst an der Kathedrale angebracht. Hell ragten die Sandsteintürme des Gotteshauses in den wolkenverhangenen Himmel.
    Die Rue Massillon, eine kleine Seitenstraße an der Nordseite der Kirche, war an beiden Enden abgesperrt. Polizeifahrzeuge standen in doppelter Spur. Der Hauseingang Nummer sechs mit einem blauen, massiven Holztor bot eine größere Tordurchfahrt. Dahinter lag der Aufgang zum vorderen Gebäudeteil. Vom quadratischen Innenhof führten Eingänge in zwei einander gegenüberliegende Nebengebäude. Während Hausflur und Treppen im Vorderhaus relativ sauber und gepflegt wirkten, sah der Hof verwahrlost aus. Abfälle lagen hier herum, Papier- und Plastikfetzen, vom Wind in den Ecken zusammengetrieben. Das grobe Kopfsteinpflaster stammte aus einer längst vergangenen Zeit und zeigte tiefe Schlaglöcher. An den Nebengebäuden blätterte der Verputz ab, in einem der unteren Geschosse hatte man die Fenster mit Brettern vernagelt. In den übrigen beiden Stockwerken waren die Scheiben verschmutzt, keine Vorhänge oder Jalousien wiesen darauf hin, dass hier Menschen lebten.
    In der Hofmitte standen der Dienstwagen von Dr. Foucart, der Rechtsmedizinerin, ein Leichenwagen sowie das Fahrzeug der Spurensicherung.
    Aus dem linken Nebengebäude trat Jean-Marc Lagarde, genannt »Paradiesvogel«. Er winkte LaBréa zu, der mit wenigen Schritten bei ihm war.
    »Claudine und Franck sind auch schon vor Ort. Dr. Foucart sowieso.« Jean-Marc lächelte. Mit seiner violett glänzenden Baseballjacke und dem bunten Halstuch machte er seinem Spitznamen auch heute alle Ehre. »Diesmal war ich vor ihr da, Chef. Vom Büro aus ist es ja nur ein Katzensprung.«
    Hinter der mit Graffiti verzierten Eingangstür betraten LaBréa und sein Mitarbeiter einen dunklen Gang. Es roch nach Katzenpisse, Rattengift und angebranntem Essen.
    »Wohnt hier sonst noch jemand?«, wollte LaBréa wissen.
    »Nein. In der Küche des Opfers steht ein Topf auf dem Herd. Irgendjemand hat da in den letzten Tagen was anbrennen lassen. Vielleicht Fleisch. Sieht jedenfalls widerlich aus und riecht auch entsprechend.«
    Am
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