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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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sie nach Monsieur Benassis' Hause. Die Kinder sahen zuerst einander an und prüften den Fremden mit der Miene, mit der sie alles, was sich ihren Augen zum ersten Male bietet, betrachten: so viele Gesichter, so viele Schattierungen der Neugierde und soviel verschiedene Gedanken. Dann wiederholte der keckste, der munterste der Bande, ein kleiner Junge mit lebhaften Augen, nackten und schmutzigen Füßen, nach der Gewohnheit der Kinder:
    »Monsieur Benassis' Haus, mein Herr?«
    Und fügte hinzu:
    »Ich will Sie hinbringen.«
    Er ging vor dem Pferde her, ebensosehr, um eine gewisse Art Wichtigkeit zu gewinnen, wenn er einen Fremdling begleitete, wie aus kindlicher Gefälligkeit, oder um dem gebieterischen Bedürfnis nach Bewegung zu gehorchen, das in diesem Alter Seele und Leib beherrscht. Der Offizier verfolgte die Hauptstraße des Fleckens ihrer ganzen Länge nach, eine steinige, krumme Straße, welche von Häusern eingerahmt wurde, die nach dem Gutdünken der Besitzer erbaut worden waren. Da ragt ein Backofen mitten in den öffentlichen Weg hinein; dort zeigt sich ein Giebel im Profil und versperrt ihn teilweise; dann durchquert ihn ein aus den Bergen kommender Bach mit seinen Rinnsalen. Genestas bemerkte mehrere Dächer mit schwarzen Schindeln, mehr noch aus Stroh, einige aus Ziegeln, sieben oder acht aus Schiefer, zweifelsohne die des Pfarrers, des Friedensrichters und die der Bourgeois des Orts. Es war die ganze Nachlässigkeit eines Dorfes, jenseits dessen die Erde aufhören, das mit nichts zusammenhängen und an nichts grenzen mußte; seine Bewohner schienen ein und dieselbe Familie außerhalb der sozialen Bewegung zu bilden und hingen damit nur durch den Steuereinnehmer oder durch unmerkliche Verzweigungen zusammen. Als Genestas einige Schritte weitergekommen war, sah er auf der Höhe des Berges eine breite Straße, die das Dorf beherrscht. Zweifelsohne gab es ein altes und ein neues Dorf. Tatsächlich konnte der Major bei einer schmalen Durchsicht und an einer Stelle, wo er den Schritt seines Pferdes mäßigte, leicht eine Anzahl gut gebauter Häuser entdecken, deren neue Dächer dem alten Dorf einen freundlicheren Anstrich verliehen. In diesen neuen Behausungen, die eine Allee von jungen Bäumen kränzt, hörte er die beschäftigten Arbeitern eigentümlichen Gesänge, das Summen einiger Werkstätten, das Knirschen der Feilen, das Klopfen der Hämmer, die unbestimmten Geräusche mehrerer Industrien. Er bemerkte den spärlichen Rauch der Küchenschornsteine und die stärkeren Rauchwolken der Essen des Stellmachers, des Schlossers und des Hufschmieds. Am äußersten Ende des Dorfes, wohin sein Führer ihn leitete, erblickte Genestas endlich zerstreute Meiereien, sehr gepflegte Felder, sachkundig angelegte Anpflanzungen und etwas wie einen kleinen Winkel der Brie in einer weiten Geländefalte verloren, deren Existenz zwischen dem Flecken und den Bergen, die das Land abschlossen, er auf den ersten Blick nicht vermutet hätte.
    Bald blieb das Kind stehen.
    »Das ist die Türe ›seines‹ Hauses,« sagte es.
    Der Offizier stieg vom Pferde und schlang den Zügel um seinen Arm; dann zog er, da er dachte, daß jede Bemühung ihren Lohn verdient, einige Sous aus seiner kleinen Hosentasche und bot sie dem Kinde, das sie mit erstaunter Miene nahm, die Augen weit aufriß, nicht dankte und stehenblieb, um zu sehen, was sich weiter begeben würde.
    In diesem Orte ist die Zivilisation wenig vorgeschritten, herrschen die Pflichten der Arbeit in voller Kraft und ist die Bettelei noch unbekannt, dachte Genestas.
    Mehr neugierig als interessiert lehnte sich der kleine Führer des Militärs an eine brusthohe Mauer, die dazu diente, den Hof des Hauses abzuschließen, und in der an zwei Torpfeilern eine Pforte aus geschwärztem Holz angebracht war. Diese, in ihrem unteren Teile massive und einstmals graugestrichene Tür wurde durch gelbe lanzenförmig zugespitzte Latten abgeschlossen. Diese Zierate, deren Farbe verblichen war, bildeten in der Höhe eines jeden Türflügels einen Halbmond und vereinigten sich, wenn die Tür geschlossen war, zu einem großen Pinienapfel. Dies von den Würmern zernagte, von dem Sammet dunklen Mooses fleckige Tor war durch die abwechselnde Einwirkung der Sonne und des Regens fast zerstört. Von einigen Aloepflanzen und, wo es der Zufall wollte, wuchernden Mauerkräutern überragt, verbergen die Pfeiler die Stämme zweier im Hofe gepflanzter, dornenloser Akazien, deren grüne Laubkronen sich in
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