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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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ausgefüllt. Dann gab es da und dort dreifüßige Schemel, die aus Stäben hergestellt worden waren, die man an einem einfachen Fichtenbrett befestigt hatte, eine Brotlade, einen großen Holzlöffel zum Wasserschöpfen, einen Eimer und Milchtöpfe, ein Spinnrad auf der Lade, einige Käsehürden, schwarze Mauern, eine wurmstichige Tür mit einem leichtvergitterten Impost; das waren die Dekoration und der Hausrat dieser armseligen Wohnung.
    Jetzt gab es ein Drama, dem der Offizier, der sich damit unterhielt, den Boden mit seiner Reitpeitsche zu klopfen, beiwohnte, ohne zu ahnen, daß sich da ein Drama entrollen würde. Als das alte Weib, von ihrem schorfigen Benjamin gefolgt, durch eine in ihre Milchkammer führende Tür verschwunden war, begannen die vier Kinder, nachdem sie den Soldaten genugsam gemustert hatten, sich des Schweines zu entledigen. Das Tier, mit dem sie gewöhnlich spielten, war auf die Türschwelle gekommen; die Bamsen fielen so kräftig darüber her und verabfolgten ihm so kräftige Ohrfeigen, daß es sich zum sofortigen Rückzuge genötigt sah. Als der Feind einmal draußen war, griffen die Kinder eine Tür an, deren Klinke, ihren Anstrengungen nachgebend, aus der abgenutzten Schließklappe, die sie festhielt, heraussprang; dann stürzten sie sich in eine Art Obstkeller, wo der Major, den diese Szene belustigte, sie bald damit beschäftigt sah, Dörrpflaumen zu benagen. In diesem Augenblick kam die Alte mit ihrem Pergamentgesicht und ihren schmutzigen Lumpen wieder herein, in der Hand einen Milchtopf für ihren Gast haltend.
    »Hah, die Taugenichtse!« sagte sie.
    Sie ging zu den Kindern, packte jedes von ihnen beim Arm und warf sie, aber ohne ihnen ihre Pflaumen zu nehmen, ins Zimmer und verschloß sorgsam die Türe zu dem Speicher des Ueberflusses.
    »Ei, ei, meine Lieblinge, seid doch vernünftig. – Wenn man nicht acht auf sie gäbe, würden sie den Pflaumenhaufen aufessen, die Tollköpfe!« sagte sie, Genestas anblickend.
    Dann setzte sie sich auf einen Schemel, nahm den Grindigen zwischen ihre Beine und hub an, ihn zu säubern, indem sie ihm den Kopf mit weiblicher Geschicklichkeit und mütterlicher Sorgfalt wusch. Die vier kleinen Diebe standen teils herum, teils lehnten sie am Bett oder an der Lade; alle wären sie rotznasig und schmutzig, fühlten sich indessen recht wohl und kauten ohne ein Wort zu sagen, den Fremden aber mit verschlossener und mißtrauischer Miene betrachtend, an ihren Pflaumen.
    »Sind das Ihre Kinder?« fragte der Soldat die Alte.
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, es sind Ziehkinder; für jedes von ihnen gibt man mir drei Franken monatlich und ein Pfund Seife.«
    »Aber, meine gute Frau, sie müssen Sie doch zweimal mehr kosten!«
    »Genau dasselbe sagt Monsieur Benassis, mein Herr; doch wenn andere die Kinder zum nämlichen Preise nehmen, muß man wohl damit zufrieden sein. Niemand will Kinder haben! Obendrein hat man noch Kirche und Staat nötig, um sie zu bekommen. Wenn wir ihnen unsere Milch umsonst geben könnten, würden sie uns nicht viel kosten. Uebrigens, mein Herr, drei Franken, das sind eine schöne Summe. Das sind fünfzehn gefundene Franken, ohne die fünf Pfund Seife. Wie viel Kraft muß man in unseren Bezirken doch verausgaben, um zehn Sous täglich zu verdienen!«
    »Sie haben also Land, das Ihnen gehört?« fragte der Major.
    »Nein, mein Herr. Ich hatte welches, als mein Mann noch lebte; doch nach seinem Tode bin ich so unglücklich gewesen, daß ich mich gezwungen sah, es zu verkaufen.«
    »Nun,« fuhr Genestas fort, »wie können Sie ohne Schulden bis zum Jahresende kommen, wenn Sie den Beruf ausüben, Kinder für zwei Sous täglich zu nähren, sauber zu halten und zu erziehen.«
    »Aber,« erwiderte sie, indem sie fortfuhr, ihren grindigen Kleinen zu säubern, »wir halten auch nicht ohne Schulden bis Sylvester aus, mein lieber Herr! Was wollen Sie? Der liebe Gott hilft. Ich habe zwei Kühe, dann stoppeln wir, meine Tochter und ich, während der Ernte. Im Winter gehen wir ins Holz und schließlich spinnen wir abends. Ach, es wird ja nicht immer ein Winter wie der letzte sein! Dem Müller schulde ich fünfundsiebzig Franken für Mehl. Glücklicherweise ist's Monsieur Benassis' Müller ... Monsieur Benassis ist ein Freund der Armen! Noch niemals hat er seine Forderungen, von wem es auch sein möge, eingetrieben, da wird er nicht mit uns anfangen. Ueberdies hat unsere Kuh ein Kalb, das wird uns immerhin ein bißchen von unseren Schulden frei
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