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Der Lambertimord

Der Lambertimord

Titel: Der Lambertimord
Autoren: Arnold Kuesters
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»Moment, ich hab’s gleich«, murmelte der Archivar und ließ seine wurstigen Finger flink über die Registratur laufen.
    »Wußt’ ich’s doch.« Er zog einen dünnen Hefter aus der Schublade, den er aber nur kurz aufschlug.
    »Nee, Jung, tut mir leid. Der ganze Vorgang liegt nicht bei uns. Wir haben damals mit der Sache nur am Rande zu tun gehabt. Die Viersener haben zusammen mit den niederländischen Kollegen die Hauptermittlungen geführt. Ich weiß von der Sache mit Ruth auch nur deshalb so viel, weil sie ja doch in irgendeiner Weise zur Verwandtschaft gehörte.«
    Schrievers steckte den Hefter an seinen Platz zurück und zog die Schultern hoch. »Ich fürchte, daß du auch in den Viersener Akten nicht viel finden wirst. Du kennst das ja: die Mädchen werden vermißt und die Ermittlungen laufen am Anfang noch auf Hochtouren. Aber wenn nach ein paar Wochen nichts dabei herauskommt, wird es schwierig, sehr schwierig. Europol hat auch nicht weiterhelfen können, wenn ich mich recht erinnere. So ist das nun mal, leider. Schicksale werden dann leicht zu Aktendeckeln, die im Archiv verstauben. Na ja.«
    Mit einem kräftigen Schubs seines Bauches schob Schrievers die Schublade zu und drehte sich dann wieder zu Frank um. »Hab’ ich dir eigentlich erzählt, daß meine Familie vor mehreren Generationen aus den Niederlanden nach Amern übergesiedelt ist? Das muß so Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein. Auf jeden Fall habe ich da letztens mit einem Bekannten …«
    Frank unterbrach den Redefluß Schrievers. Wenn er jetzt nicht den Absprung schaffte, würde er unweigerlich die nächste Stunde in die Tiefen der Schrieverschen Ahnenforschung eingeweiht. Und dazu hatte er nun überhaupt keine Lust. Schon gar nicht an einem Montagvormittag.
    Frank stand auf.
    »Tut mir leid, Heinz-Jürgen, aber ich muß wieder ins Büro. Die Arbeit ruft. Vielen Dank jedenfalls, daß du für mich in deinem Archiv gewühlt hast. Ist doch immer ein Erlebnis mit dir.« Frank lächelte seinen Kollegen an.
    Heinz-Jürgen Schrievers fühlte sich geschmeichelt. »Keine Ursache. Jederzeit. Schade, daß ich dir nicht wirklich helfen konnte.«
    »Macht nix. Wie gesagt, war auch nur so eine Idee. Ich wollte nur mal kurz nachhören. Hat mich doch interessiert. Wie gesagt, hatte nur so ein Gefühl. Ist ja auch nicht mein Ressort.«
    »Gefühl, soso.« Schrievers ließ offen, was er damit meinte.
    An der Tür drehte sich Frank noch einmal um. »Ähm, dürfte ich vielleicht doch …?« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Schreibtisch. Sein Hungergefühl war einfach stärker.
    »Klar, greif zu. Ist wirklich lecker. Hast du abgenommen? Ich meine, du bist noch schlanker als sonst. Und du bist so blaß. Siehst irgendwie krank aus. Außerdem könntest du dir mal wieder die Haare schneiden lassen.« Schrievers zwinkerte ihm zu. »Arbeite nicht soviel. Das ist ungesund, sagt mein Arzt. Und das ist ein kluger Mann. Hat immerhin studiert.« Schrievers ließ sich krachend auf seinen Stuhl fallen und schob Frank einladend die Tupperdose hin. Ohne weiter auf seinen Kollegen Frank zu achten, zog er anschließend eine Schreibtischschublade auf und begann darin zu kramen. Dabei schnaufte er leicht. »Irgendwo muß doch noch ein Bounty sein. Ah, ja.« Triumphierend hielt er den Schokoriegel in die Höhe. Aber da war Frank längst zur Tür hinaus. Schrievers zuckte gleichgültig mit den Schultern und begann langsam und voller Vorfreude, das Papier von seinem Bounty zu schälen.

II.
    Stanislaw konnte sich nicht satt sehen. Wie schön sie doch war. Leise und selbstvergessen summend kroch er aus seinem Versteck ein Stück näher an den Spalt in der Wand, um sie noch besser sehen zu können. Er mochte die deutschen Frauen. Sie waren irgendwie so anders als die, die er aus seiner Heimat kannte. Warum das so war, konnte er sich nicht erklären. Vielleicht, weil ihre Kleider schöner waren. Die Frage spielte für ihn aber auch keine Rolle. Stanislaw hatte noch nie lange über sein Leben nachgedacht.
    Stanislaw hatte schon länger keine Frau mehr in seinen Armen gehabt. Geschweige denn geküßt, oder gar mit einer Frau geschlafen. Einmal wäre es fast dazu gekommen. Es wäre überhaupt das erste Mal gewesen. Er konzentrierte sich kurz, vor zwei Jahren mußte es gewesen sein. Damals im heißen Sommer. Aber dann hatten die Eltern von Irina etwas gemerkt, und er hatte seine kleine, blonde Freundin nicht wiedersehen dürfen. Von einem Tag auf den anderen. Dabei hatten sie
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