Der Lambertimord
aufstehen müssen. Er zog den Kopf noch ein Stück tiefer in den Kragen.
»Was ist das eigentlich für ein Turm?«
»Das kann ich dir sogar ziemlich genau sagen.«
»Oh, nee, bitte jetzt keinen Vortrag, Frank.« Ecki bedauerte schon, daß er gefragt hatte.
Frank hatte beide Hände tief in seiner schwarzen Ledetjacke vergraben. Er hätte dickere Schuhe anziehen sollen. Langsam kroch die Kälte durch die dünnen Sohlen. Seine Zehen waren schon eiskalt. Außerdem hatte er seinen Schal vergessen. Mit dem Kinn deutete er auf die umstehenden Häuser. »Der Turm heißt hier im Ort Alter Lambert. Das ist ein Kirchturm, 14. Jahrhundert, Backstein mit Tuffsteinverzierungen, Breyeller und Nettetaler Wahrzeichen, und ziemlich marode. Seit zwei Jahren versucht ein Förderkreis, ihn zu erhalten. Die Stadt hat sich vor kurzem nach einigem Hickhack schließlich für die aufwendige Sanierung und den Erhalt des Turms entschieden. Soweit ich das beurteilen kann, sind die Arbeiten schon ziemlich weit. Im Frühjahr soll das Gerüst fallen.«
»Und? Woher weißt du das alles? Du solltest dich bei Jörg Pilawa melden.« Ecki hatte seinem Freund Frank nur halb zugehört und statt dessen die Häuserreihe auf der anderen Straßenseite betrachtet.
»Schließlich bin ich in Breyell geboren, das solltest du aber mittlerweile wissen. Oder hörst du eigentlich nie zu, wenn ich dir etwas erzähle? Außerdem kann ich Zeitung lesen. Willst du noch mehr wissen?«
»Meine Güte, wie bist du denn heute drauf? Sei doch nicht gleich beleidigt. Alles klar, Herr Kommissar?« Ecki zog erneut die Nase hoch.
Wenn Frank etwas an Ecki nicht leiden konnte, war es dieses Hochziehen der Nase. Bevor er weitersprach, zog er ein Papiertaschentuch aus der Jackentasche und reichte es seinem Freund, der es kommentarlos annahm. Ecki mochte nicht, wenn er von Frank wie ein kleines Kind behandelt wurde.
Ecki war ein paar Meter weiter gegangen. Dabei kickte er mit dem Fuß ein Steinchen weg, das scheppernd gegen den Baucontainer flog, der seit den Bauarbeiten den Marktplatz zur Lobbericher Straße abgrenzte. Es klang wie Applaus, als ein paar Tauben, die auf dem Dach des Metallgehäuses saßen, mit heftigem Flügelschlag aufflogen. Nach einer Runde um die Turmspitze ließen sie sich gegenüber auf dem Dach eines Blumenladens nieder.
Ecki zeigte über die Straße auf das alte Haus neben der Apotheke. »Was steht da über der Tür auf der Tafel?« Er gab sich selbst die Antwort, kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können und las langsam vor. Das Licht reichte kaum, um die Zeilen zu entziffern. »Geburtshaus von Johann Peters. Komponist des Rheinliedes Strömt herbei ihr Völkerscharen und des Westfalenliedes Ihr mögt den Rhein, den stolzen preisen. Geboren 13.3.1820, gestorben 7.7.1870 in Köln. Sieh’ mal einer an, ist ja richtig romantisch bei euch. Hast mir ja noch gar nicht erzählt, daß du aus so einem berühmten Kaff kommst.« Ecki grinste spöttisch.
»Brauchst das berühmt gar nicht so zu betonen. Bist ja nur neidisch.« Frank hob scheinbar entschuldigend die Hände und hielt dagegen. »Jetzt frag bloß nicht, ob es die Nummern von dem Peters auch auf einer Volksmusik-CD gibt. Das weiß ich nämlich nicht und ich will es auch nicht wissen. Ich kenne noch nicht mal den ganzen Text der Lieder. Aber vielleicht sollte man mal eine Bluesversion versuchen? So nach dem Motto: I’m going down the Rhine, made me proud, made him mine. Oder so ähnlich.« Frank wurde wieder ernst. »Warum interessierst du dich so für den Turm? Meinst Du, es besteht ein Zusammenhang mit dem Mord?«
»Weiß nicht. Wie gesagt, ist doch merkwürdig, daß die Tote ausgerechnet hier liegt. Muß mich mal um die Arbeiter kümmern. Kennst Du den Unternehmer?« Ecki zeigte auf das Bauschild.
»Nee, nicht wirklich. Wer hat die Tote eigentlich gefunden? Weiß das jemand?«
Gemeinsam gingen sie zum Streifenwagen und sahen den uniformierten Beamten, der fröstelnd mit verschränkten Armen neben der offenen Wagentür stand und sie die ganze Zeit beobachtet hatte, fragend an.
»Moin. Wer hat die Tote gefunden, Kollege?« Ecki hielt ihm die Hand hin.
Der Polizeibeamte räusperte sich. Er straffte sich und grüßte mit kurzem Griff an seine Dienstmütze. Dann drückte er diensteifrig Eckis Hand. »Polizeihauptmeister Johannes Peters.«
»Die Leute heißen hier wohl alle Peters? Landadel, nehme ich an.« Ecki hatte heute offenbar seinen witzigen Tag.
Der Polizeibeamte sah ihn
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