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Der lächelnde Henker

Der lächelnde Henker

Titel: Der lächelnde Henker
Autoren: Jason Dark
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schwarzen Henkers, das so lange unter der Glasvitrine gestanden hatte. Jetzt befand es sich in der Hand dieser Horror-Gestalt.
    Mit beiden Fäusten wurde es umklammert und quer vor das Gesicht gehalten.
    Sekunden dehnten sich.
    Der junge Mann hatte das Gefühl, als würde er bereits minutenlang auf dem Fleck stehen, und sein Grauen verstärkte sich abermals, als er das Geräusch hörte, das unter der Kapuze seltsam verzerrt an seine Ohren drang.
    Es war ein hohes, kicherndes Lachen, ein hörbares Lächeln, das nach Triumph, Wahnsinn und Rache schmeckte. Der Henker hatte sein Ziel erreicht, er war zurückgekehrt, die Alten hatten recht mit ihren Geschichten behalten. Es gab ihn!
    Wie neu sah die Klinge des Beils aus. Ian konnte sich gut vorstellen, daß diese Waffe nur einen Schlag brauchte, um einen Kopf vom Körper zu trennen.
    Auch seinen?
    Er rechnete fest damit, doch der Henker hatte damit nichts im Sinn. Seltsamerweise drehte er sich um und ging davon.
    Er wandte Ian seinen Rücken zu, lief drei, vier Schritte, dann verschluckte der Nebel seine schreckliche Gestalt. Ian aber stand wie angewachsen auf dem Fleck. Die Welt um ihn herum existierte nicht mehr, er stierte in den Nebel und glaubte, einen Spuk erlebt zu haben.
    Dann jedoch dachte er an die erste Etage und die zerstörte Glasvitrine. Nein, es war kein Spuk. Das Beil lag nicht mehr dort, der Henker hatte es sich geholt und sich sogar dem jungen Mann gezeigt, den plötzlich nichts mehr in dem Haus hielt.
    Laut schreiend verließ er es, und er schrie auch noch, als er durch Pitlochry rannte.
    Seine Schreie mobilisierten die Bewohner. Im Gasthaus liefen die meisten zusammen. Mit schreckenstarren und bleichen Gesichtern hörten sie sich die Geschichte an, und es gab nicht wenige, die hastig ihre Kreuzzeichen schlugen.
    Dann rannten sie zum Heimatmuseum, sahen die zerstörte Vitrine und blieben betroffen stehen.
    Einer nur sprach das aus, was wohl alle dachten.
    »Der Fluch des schwarzen Henkers hat sich erfüllt. Moro ist wieder frei…«
    ***
    Der Brief lag in der Post!
    Wie jeden Morgen, wenn Suko und ich in unserem gemeinsamen Büro saßen, wurde die Post von Glenda Perkins, unserer Sekretärin, gebracht, zusammen mit einer zweiten Tasse Kaffee und Tee. Lächelnd legte Glenda uns die Briefe auf den Schreibtisch. Sie trug einen quergestreiften Pullover, rot und grau in den Farben, und einen grauen Hosenrock, der sich in Höhe der Oberschenkel pumpartig aufbauschte.
    »Was ist denn heute dabei?« fragte ich und schob meinen Zeigefinger in den Henkel der Tasse. »Liebesbriefe, Rechnungen, Mahnungen. Letztere können zerrissen werden.«
    »Und die Liebesbriefe?« fragte Glenda.
    »Die behalte ich natürlich.«
    »Wer sollte dir denn einen Liebesbrief schreiben?« erkundigte sich mein Freund und Kollege Suko.
    Ich machte ein erstauntes Gesicht. »Du tust, als hätte ich keinerlei heimliche Verehrerinnen. Wer weiß, wieviele Fans von mir auf der Welt herumschwirren.«
    »Jede Menge«, behauptete Glenda.
    »Da hörst du es!«
    »Aber ich meine Dämonen«, setzte Glenda noch eine kleine Spitze darauf, was mich zu einem Verdrehen der Augen und folgender Antwort veranlaßte:
    »Ihr gönnt mir auch nichts.«
    »Doch, die Post und den Kaffee.«
    »Uber den Kaffee freue ich mich besonders«, erwiderte ich lächelnd.
    »Der ist schließlich freiwillig gekocht. Mein Dank wird dir ewig nacheilen und dich nie erreichen, Glenda«, versprach ich ihr.
    »Ekel!« zischte sie, war schon an der Tür, als sie noch einmal Luft holte und sich der quergestreifte Pullover vorn ein wenig spannte. »Da ist übrigens ein Brief aus Schottland dabei.«
    »Hast du ihn geöffnet?«
    »Privatpost öffne ich nicht.«
    Ich wühlte die zahlreichen Umschläge durch, um den Brief zu finden.
    »Die Handschrift sieht mir übrigens nicht nach einer Frau aus«, erklärte Glenda noch, bevor sie die Tür schloß.
    »Na denn«, sagte ich und ließ mich auf meinem Schreibstuhl zurücksinken.
    »Da ist der Brief.« Suko hatte ihn gefunden und wedelte damit. Er drehte ihn so, daß er den Absender lesen konnte. »Stammt tatsächlich aus Schottland, das Schreiben. Pitlochry heißt der Ort. Kennst du ihn?« Er schob mir den Brief rüber.
    »Nein.« Ich griff zum Öffner, schlitzte das Kuvert auf und zögerte, den Brief aus dem Umschlag zu nehmen.
    »Was ist los?« fragte mein Freund.
    »Pitlochry, hast du gesagt?«
    »Ja.«
    Ich dachte nach. Himmel, der Ortsname kam mir doch bekannt vor. Mich hatten
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