Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der lächelnde Henker

Der lächelnde Henker

Titel: Der lächelnde Henker
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
gespenstischen Reigen tanzen würden. Er schüttelte den Kopf, begann wieder zu pfeifen und machte sich durch die Melodie Mut.
    Manchmal wuchsen die Büsche so nahe an den Weg heran, daß ihre nassen Zweige wie starre Hände über die Kleidung des einsamen Spaziergängers strichen.
    Ian ging schneller.
    Nach wenigen Minuten schon sah er die Umrisse zweier Häuser aus den Nebelschwaden erscheinen. Das von ihm aus gesehen linke Haus gehörte der Freiwilligen Feuerwehr. Dort hatten die zur Brandbekämpfung notwendigen Geräte ihren Aufbewahrungsort gefunden. Das linke Gebäude war das Heimatmuseum. Ians Ziel. Man hatte einen Teil des Hauses aus Steinen zusammengefügt, und darüber war mit Holz weitergebaut worden. Es gab nur kleine Fenster, und zwischen zweien von ihnen befand sich die Tür. Sie war stets verschlossen, aber Ian kannte einige Tricks, um diese alten Dinger aufzubekommen.
    Eine Steintreppe führte zur Tür hoch. Die Stufen zeigten Risse, in denen eine dunkelgrüne Moosschicht wuchs.
    Ian mußte achtgeben, damit er nicht ausrutschte, als er die kleine Treppe hochschritt. Er legte die Distanz zur Tür schnell zurück, hatte einen Arm ausgestreckt, berührte mit der Hand die Tür und war überrascht, als sie plötzlich nach innen schwang.
    Wieso war die Tür offen?
    Ian schluckte. Er wischte sich über die Augen, weil er es selbst nicht glauben wollte, aber er hatte sich nicht getäuscht. Da hatte tatsächlich jemand den Eingang aufgeschlossen.
    Wirklich aufgeschlossen? War ihm da jemand zuvorgekommen? Es fiel Ian schwer zu denken, der Alkohol umnebelte seinen Kopf zu stark. Er bückte sich, schaute auf das Schloß und pfiff überrascht durch die Zähne.
    Nein, das Schloß war nicht normal geöffnet, sondern aufgebrochen worden.
    Sekundenlang blieb Ian stehen. Er wußte nicht, was er jetzt tun sollte. Wieder zurücklaufen? Dann hätten ihn die anderen nur ausgelacht. Also hineingehen und nachschauen, wie er es sich vorgenommen hatte. Ein wenig komisch war ihm schon zumute, als er die Tür weiter aufstieß. Sie knarrte in den Angeln, das Geräusch erzeugte bei Ian eine Gänsehaut. Aus dem Raum vor ihm drang der Geruch von Bohnerwachs, mit dem der Holzfußboden eingerieben worden war. Schon bald bewegten sich diese Dielen unter seinen Füßen, als er voranschritt. Es waren zahlreiche Gegenstände im Raum ausgestellt, von dem auch eine Treppe hoch in die erste Etage führte, und da wurde das Mörderbeil des schwarzen Henkers aufbewahrt.
    Als Ian daran dachte, kroch ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Er fühlte sich gar nicht mehr wohl, die aufgebrochene Tür hatte ihm zu denken gegeben, und in der Düsternis des Raumes glaubte er, überall Gestalten lauern zu sehen.
    Natürlich konnte er sich täuschen, aber die alten Schränke, Ackergeräte und Tische sahen bei diesen Lichtverhältnissen eben anders aus als normal.
    Zudem knarrten die Dielen, wenn er auch nur sein Gewicht verlagerte. Das Geräusch erhöhte die unheimliche Stimmung nur noch weiter. Eine Taschenlampe hatte er vergessen. Jetzt ärgerte er sich darüber, doch es war nicht mehr rückgängig zu machen. Er wußte von früheren Besuchen, daß sich hier irgendwo Kerzen befanden. Die fand er auch in einer Tischschublade.
    Einen fingergroßen roten Stummel nahm er hervor, knipste sein Feuerzeug an und entzündete den Docht.
    Zuerst flackerte die Kerze im durch die Tür fallenden Luftzug. Da wurde der kleine Saal plötzlich von einem seltsamen Leben erfüllt. Schatten geisterten über die Wände, gaben den ausgestellten Gegenständen ein verzerrtes Aussehen und glitten auch zuckend über die nach oben führende Holztreppe.
    Die war Ians Ziel.
    Er ging nur auf Zehenspitzen weiter, seine Sinne waren gespannt, und er mußte auf der Hälfte der Treppe den Kopf einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen, die hier oben sehr niedrig war.
    Ian wußte, daß in der ersten Etage nur ein Gegenstand ausgestellt war. Eben das Mörderbeil des schwarzen Henkers. Es stand unter Glas, er brauchte die Scheibe der kleinen Vitrine nur einzuschlagen und die Axt an sich zu nehmen. Ein Kinderspiel…
    Seltsam groß wurde sein Schatten an die Wand geworfen, als er weiterging. Am Ende der Treppe mußte er sich scharf nach links wenden, um an sein Ziel zu gelangen.
    Ian blieb stehen, streckte den rechten Arm aus, und das Licht der Kerze erreichte auch die Vitrine.
    Zuerst glaubte er, einer Täuschung erlegen zu sein. Die Vitrine stand zwar noch dort, aber sie war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher