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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition)
Autoren: Thea Harrison
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dass du härter an deinem Urteilsvermögen arbeitest«, sagte sie zu Rhoswen.
    Every little thing is going to be all right . Alles wird wieder gut.
    Erst vor Kurzem hatte Rune Bob Marley zitiert, als Niniane Lorelle in ihrem Leben an einem Tiefpunkt gestanden hatte. Niniane war eine junge Fee, eine entzückende Frau, und lange Zeit eine enge Freundin gewesen. Zufällig war sie jetzt außerdem die Königin der Dunklen Fae und der letzte Neuzugang auf der Liste der zehn mächtigsten Personen Amerikas. Rune hatte Bob in ihrem Gespräch erwähnt, um sie zu trösten, nachdem bei einem Anschlag auf ihr Leben ihre Freundin umgekommen war und ihr Gefährte Tiago beinahe ebenfalls gestorben wäre.
    Und seitdem ging ihm dieser verdammte Marley-Song unablässig durch den Kopf. Es war einer dieser Ohrwürmer – wie bei einer Fernsehwerbung oder der Titelmusik eines Kinofilms –, und er konnte den Aus-Schalter für die Stereoanlage nicht finden, die jemand an sein Gehirn angeschlossen hatte.
    Es war ja nicht so, dass er Bobs Musik unter normalen Umständen nicht gemocht hätte. Er sollte nur verdammt noch mal kurz den Mund halten, damit Rune ein bisschen Schlaf bekam.
    Stattdessen wachte er nachts immer wieder auf und starrte an die Decke, während sich die Seidenlaken auf seiner übersensiblen Haut anfühlten wie Sandpapier. Momentaufnahmen der jüngsten Ereignisse wurden auf seine geistige Netzhaut projiziert, und die ganze Zeit spielte Bob sein Lied.
    Every little thing . Wirklich alles.
    Klick, und Runes Freund Tiago lag auf einer Waldlichtung ausgestreckt, ausgeweidet und von seinem eigenen Blut durchtränkt, während Niniane neben seinem Kopf kniete und ihn voller Entsetzen festhielt.
    Klick, und Rune starrte in das wunderschöne, ausdruckslose Gesicht von Carling, der Herrscherin über die Nachtwesen, deren magische Energie in der Weltgeschichte unübertroffen war. Er packte sie an den Schultern, schüttelte sie und brüllte ihr direkt ins Gesicht.
    Klick, und er schloss mit Carling einen Handel ab, der Tiagos Leben rettete, aber leicht das Ende seines eigenen bedeuten konnte.
    Klick, und tief im Herzen des Dunkle-Fae-Lands stieg Carling in der Abenddämmerung nackt aus dem Adriyel River. Sie war von silbrigem Wasser benetzt, das im ausklingenden Tageslicht glitzerte, als trüge sie ein durchsichtiges Gewand aus Sternen. Die Rundungen ihres muskulösen Körpers, das dunkle Haar, das glatt an ihrem schön geformten Kopf anlag, ihr unergründliches, ägyptisches Gesicht mit den hohen Wangenknochen – das alles war so verflucht perfekt. Und eines der perfektesten Merkmale war zugleich eines der tragischsten, denn die geschmeidige, sinnliche Schönheit ihres Körpers war von Dutzenden langer, weißer Narben überzogen, die von Peitschenhieben stammten. Als sie noch ein Mensch und sterblich gewesen war, musste sie mit einer Brutalität ausgepeitscht worden sein, die von unmenschlicher Grausamkeit zeugte. Und doch bewegte sie sich mit der starken, geschmeidigen, selbstsicheren Sinnlichkeit einer Tigerin. Bei ihrem Anblick hatte sein Atem ausgesetzt, ebenso seine Gedanken, seine Seele und alles andere an ihm. Er brauchte eine Art kosmischen Neustart, doch bisher hatte der noch nicht stattgefunden, denn ein Teil von ihm war noch immer in diesem Augenblick der Offenbarung gefangen.
    Klick, und er wurde Zeuge, wie auf einer Waldlichtung eine antike Pistole abgefeuert wurde, gleichzeitig explodierte und dabei eine Verräterin und eine mutige Frau tötete. Eine Frau, die er sehr gemocht hatte. Eine starke, lustige, verwundbare Menschenfrau, die ihr kurzes, kostbares Leben nicht hätte verlieren dürfen, nur weil er und Aryal es versaut hatten, indem sie Cameron ganz allein zu Ninianes Schutz zurückgelassen hatten.
    Klick, und er sah Camerons Gesicht, als sie noch am Leben gewesen war. Die Menschenfrau hatte den langen, kräftigen Körper einer Athletin, und auf ihren hageren Zügen sah man gute Laune und zimtfarbene Sommersprossen.
    Klick, und er sah Cameron zum letzten Mal, nachdem die Soldaten der Dunklen Fae ihre Leiche präpariert und verhüllt hatten, um sie nach Chicago zu ihrer Familie zurückzubringen. Die hübsche Zimtfarbe war aus ihren Sommersprossen gewichen. Die Pistole, die sie abgefeuert hatte, um Ninianes Leben zu retten, hatte bei der Explosion ein großes Stück aus ihrem Kopf gerissen. Es war immer brutal, wenn man Freunde in diesem letzten, traurigsten Moment sah. Ihnen ging es gut. Sie hatten keine Schmerzen
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