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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition)
Autoren: Thea Harrison
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Rune, dessen lange strapazierter Geduldsfaden sich in Rauch auflöste.
    Dragos verstummte und drehte sich ruckartig zu Rune um. Zum Teil lag es ganz sicher an der Überraschung, denn normalerweise war Rune der Ausgeglichene von ihnen. Aber Dragos holte tief Luft, um ein hasserfülltes Schnauben auszustoßen. Die magische Energie des Drachen verdichtete sich im Raum.
    Dann ging ausgerechnet Aryal dazwischen, um ihre Version der Friedensstifterin zum Besten zu geben. »Zur Hölle, Dragos, was soll das?«, fragte die Harpyie. »Es ging um Leben und Tod, und Tiago verblutete vor unseren Augen. Keiner von uns hatte die Zeit, sich mit seinen Anwälten über die besten Konditionen für einen Handel mit der Bösen Hexe des Westens zu beraten. Wir haben dir ein Geschenk mitgebracht. Hier.« Sie warf ein ledernes Päckchen nach Dragos, der es reflexartig auffing.
    Dragos öffnete das Päckchen und zog zwei Paar schwarzer Fesseln heraus, von denen eine bedrohliche magische Energie ausging. »Endlich ein paar gute Nachrichten«, schnaufte er.
    Voller Abscheu starrten die drei Wyr auf die Fesseln. Diese Ketten, entworfen von Dragos’ Erzfeind Urien Lorelle, dem verstorbenen König der Dunklen Fae, besaßen die Kraft, den mächtigsten aller Wyr gefangen zu halten: Dragos persönlich.
    Nachdem sein Wutausbruch sabotiert worden war, hörte Dragos schweigend zu, während Rune und Aryal zu Ende berichteten. Naida Riordan, Ehefrau einer der mächtigsten Persönlichkeiten in der Regierung der Dunklen Fae, hatte nämlich diese alten Gerätschaften Uriens für den Versuch benutzt, Niniane und Tiago zu töten.
    »Die Fesseln haben Tiago daran gehindert, sich zu heilen«, sagte Rune. »Wir hätten ihn beinahe verloren, bevor wir herausfanden, wie wir sie öffnen konnten. An diesem Punkt musste ich mich auf den Handel mit Carling einlassen.«
    Der Drache bedachte ihn mit einem grimmigen Blick. Wie Schatten zogen die Gedanken durch seine goldenen Augen.
    »Also gut«, sagte Dragos nach einer Weile. »Nutze diese Woche, um deine Angelegenheiten zu regeln und deine Pflichten zu delegieren. Und wenn du in San Francisco ankommst, versuche Carling um alles in der Welt davon zu überzeugen, dass sie dich etwas tun lässt, das schnell geht.«
    Also verbrachte Rune die Woche damit, seine Aufgaben zu übertragen. Nachts leisteten ihm Bob und die Bilder in seinem Kopf Gesellschaft, und tagsüber fielen die Geräusche New Yorks brutal über ihn her.
    Normalerweise genoss er die energiegeladene Betriebsamkeit in New York, doch seit seiner Rückkehr aus Adriyel dampfte die gigantische Stadt in der Sommerhitze, die alle Gerüche in der schweren, feuchten Luft einschloss, und der unaufhörliche, schrille, misstönende Lärm der Stadt ging Rune unter die Haut wie das Kratzen scharfer Fingernägel. Es verwandelte ihn in einen barbarischen Fremden, dem schnell und unberechenbar die Sicherung durchbrannte – und wenn er dann in die Luft ging, war er nicht weniger entsetzt als die anderen. Er empfand etwas, das er in den langen, ungezählten Jahren seiner Existenz noch nie empfunden hatte: Unsicherheit.
    Vielleicht war es gar nicht so schlecht, sich für einige Zeit zu verkrümeln. Er könnte sich neu sortieren und sein Gleichgewicht wiederfinden. Es wäre auch klug, sich eine Auszeit vom Umgang mit Dragos’ Temperament zu nehmen, wenn auf seine eigene Selbstbeherrschung so wenig Verlass war. Die produktive Beziehung zwischen ihnen, die schon Jahrhunderte währte, basierte zum Teil auf Freundschaft. Und zu einem anderen, sehr großen Teil basierte sie darauf, dass sie sich auf die Fähigkeiten des anderen verlassen konnten, zum Beispiel auf Runes Gleichmut und sein diplomatisches Geschick.
    Im Augenblick jedoch schien sein gesamtes, nicht unbeträchtliches Geschick darin, seinen Boss zu besänftigen, verreist zu sein. Wenn er so weitermachte, würde es zwischen ihm und Dragos mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem ernsthaften, ziemlich hässlichen Streit kommen, und davon hätte niemand etwas – am allerwenigsten er selbst. Es gab einfach keinen Grund, es so ausarten zu lassen.
    Er sollte sich also bei Carling einschmeicheln, damit sie ihn etwas tun ließ, das schnell ging. Vielleicht könnte er ihr anbieten, den Müll rauszubringen oder den Abwasch zu machen. Wie gut das wohl ankommen würde?
    Hatte die Böse Hexe des Westens Sinn für Humor? In den letzten Jahrhunderten hatte Rune sie bei einigen außenpolitischen Anlässen beobachten können. Obwohl er
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