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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange
Autoren: Ruth Rendell
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brummte sie. »Ich hatte gesagt, daß ich nie einen Fuß in dieses Haus setzen würde, und dabei hätte ich auch bleiben sollen.«
    »Und warum sind Sie dann doch gekommen?«
    »Weil mein Sohn darauf bestanden hat. Wir sollten uns versöhnen.« Sie stampfte ein paar Schritte näher und blieb vor ihm stehen. Wexford mußte an die Illustration in einem Geschichtenbuch denken, das einem seiner Enkel gehörte, an das Bild eines Schranks mit Armen und Beinen und einem mürrischen Gesicht. »Eins kann ich Ihnen sagen«, meinte sie, »wenn diese Angela nervös war, dann höchstens vor Scham. Geschämt hat sie sich wohl, daß sie seine Ehe zerstört und daß sie ihn zu einem armen Mann gemacht hat. Die hatte wirklich allen Grund, sich zu schämen. Das Leben von drei Menschen hat sie ruiniert. Das werd ich vor Ihrem Untersuchungsrichter sagen. Jedem sag ich das, da kenn ich nichts!«
    »Ich bezweifle«, wandte Wexford ein, »daß Sie danach gefragt werden. Ich jedenfalls habe Sie nach gestern abend gefragt.«
    Sie warf den Kopf zurück. Aufgebracht sagte sie: »Ich habe nichts zu verbergen. Ich denke bloß an ihn, wenn das alles an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Sie sollte uns gestern abend am Bahnhof abholen …« Ein trockenes »Hmm!« kappte das letzte Wort.
    »Aber sie war tot, Mrs. Hathall.«
    Sie überhörte das und fuhr kurz und knapp fort: »Wir kamen hier an, und er hat sie gesucht. Gerufen hat er nach ihr. Hier unten hat er überall nach ihr gesucht, auch im Garten und in der Garage.«
    »Und oben?«
    »Nach oben gegangen ist er nicht. Er hat mir gesagt, ich soll schon mal raufgehen und meine Sachen ablegen. Und da bin ich in ihr Schlafzimmer gegangen, und da lag sie. Zufrieden? Fragen Sie ihn doch selbst, und passen Sie auf, ob er Ihnen was anderes erzählt.« Der wandelnde Schrank stampfte aus dem Zimmer, und die Treppenstufen ächzten, als er hinaufstieg.
    Wexford ging in das Zimmer zurück, in dem Hathall war. Er bewegte sich nicht gerade verstohlen, machte aber auch nicht viel Geräusch. Etwa eine halbe Stunde lang war er in der Küche gewesen, und vielleicht glaubte Hathall, er habe bereits das Haus verlassen, denn er hatte sich von seiner völligen Hingabe an den Schmerz äußerst schnell erholt. Jetzt stand er am Fenster und las angestrengt etwas, das auf der Vorderseite der Morgenzeitung stand. Auf seinem hageren, geröteten Gesicht lag der Ausdruck äußerster Anspannung, einer intensiven, ja abwägenden Konzentration, und seine Hände waren völlig ruhig. Wexford hüstelte leicht. Hathall fuhr nicht zusammen. Er wandte sich um, und augenblicklich ließ wieder jene Seelenqual, von der Wexford hätte schwören können, daß sie echt war, sein Gesicht zucken.
    »Ich will Sie jetzt nicht wieder belästigen, Mr. Hathall. Ich habe darüber nachgedacht, und ich glaube, es wäre viel besser für Sie, wenn wir uns in einer anderen Umgebung unterhalten. Unter den gegebenen Umständen ist diese hier wohl nicht gerade die beste für die Art Unterredung, die wir führen müssen. Würden Sie bitte so gegen drei zum Polizeipräsidium kommen und dort nach mir fragen?«
    Hathall nickte. Er schien erleichtert. »Tut mir leid, daß mir vorhin die Nerven durchgegangen sind.«
    »Schon gut. Das war nur natürlich. Bevor Sie heute nachmittag kommen – würden Sie wohl die Sachen Ihrer Frau durchsehen und mir dann sagen, ob etwas fehlt?«
    »Ja, das mache ich. Ihre Leute werden das Haus nicht noch einmal durchsuchen?«
    »Nein, das ist abgeschlossen.«
    Kaum war Wexford in seinem Büro im Kingsmarkhamer Polizeipräsidium angekommen, nahm er sich die Morgenzeitungen vor und fand auch, was Hathall so aufmerksam studiert hatte, im Daily Telegraph. Am Fuß der ersten Seite, unter der Rubrik Letzte Nachrichten war ein schmaler Absatz, der lautete: »Mrs. Angela Hathall, 32, wurde gestern abend in ihrem Haus in der Wool Lane, Kingsmarkham, Sussex, tot aufgefunden. Sie wurde erdrosselt. Nach Ansicht der Polizei handelt es sich um Mord.« Das war es, worauf Hathalls Augen mit solcher Intensität fixiert gewesen waren. Wexford überlegte eine Weile. Wenn seine eigene Frau ermordet aufgefunden würde, dann wäre doch das letzte, was er wollte, darüber auch noch in der Zeitung zu lesen! Er sprach seine Gedanken laut aus, als Burden ins Zimmer kam, fügte aber gleich hinzu, es habe wohl keinen Sinn, seine eigenen Empfindungen auf andere zu projizieren, schließlich seien nicht alle Menschen gleich.
    »Manchmal denke ich«, meinte
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