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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka
Autoren: Nina Blazon
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Held?«, fragte sie spöttisch.
    Die Hoffnung, es könnte wieder ein wenig wie früher werden, als sie Freunde gewesen waren, ließ ihn zittern. »Beim ersten Mal hast du mich zurückgewiesen«, sprach er weiter. »Gut, das war mein Fehler, denn ich war unverschämt und habe dich geküsst. Für diesen ersten Versuch entschuldige ich mich. Beim zweiten Mal hast du mein Schiff zurückgewiesen, was mutig ist in Anbetracht dessen, dass du der einzige Mensch bist, dem ich je ein solches Angebot machen werde. Aber gut. Jelena, die Wunderschöne, ist wählerisch. Das dritte Mal werde ich nicht mit einem Kuss oder einem Schiff beginnen – ich fange bei Baba Jagas Haus an.«
    Jelenas Blick wanderte zu seinem Bündel, aus dem der Axtgriff ragte. Sie begriff. »Katka?«, rief sie. »Sie wird dir den Kopf abreißen. Glaube nicht, dass sie die Deutschen plötzlich liebt.«
    »Was kümmert mich Katkas Hass, solange du mich irgendwann liebst«, rutschte es ihm heraus. Einen gespannten Augenblick schalt er sich und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, aber dann stellte er fest, dass sie nicht widersprach. Er beeilte sich weiterzusprechen. »Es ist kalt geworden seit der Flut. Die Winterstürme werden bald kommen. Ich habe Medizin für Katkas Husten. Und euer Haus ist ein Meisterstück für jeden Zimmermann. Das Holz, das ich im Boot mitgebracht habe, wird natürlich auf keinen Fall genügen. Wir werden neues schlagen müssen.« Er holte tief Luft und sah sie mit festem Blick an. Nun kam der eigentliche Teil seiner Rede. »Diesmal wirst du mich nicht los, Jelena Michailowna. Nicht bevor ich euch geholfen habe euer Haus zu reparieren. Wenn du allerdings danach willst, dass ich gehe, werde ich gehen. Und solltest du irgendwann in Zukunft doch noch einen Fuß auf unser Schiff setzen wollen, dann weißt du ja, wo du mich findest.«
    Ihr Mundwinkel zuckte, immer noch hatte sie ihre Arme verschränkt und die zu Fäusten geballten Hände in ihre Achselhöhlen gedrückt. Ein oder zwei Augenblicke hielt sie das Bollwerk aufrecht, dann bröckelte es und der Sonnenstrahl eines verschmitzten Lächelns durchbrach die Mauer. »Was für eine wohlgesetzte Rede, Johannes. Aber weißt du, worauf du dich mit Katka einlässt? Du denkst, Karpakow war ein schwerer Brocken?«
    »Nein«, antwortete Johannes prompt. »Der schwere Brocken – das bist du!«
    Sie sah ihn verblüfft an, dann lachte sie. Plötzlich war jeder Schmerz, jede Müdigkeit, jeder Zweifel weggespült. Er lachte mit, ohne etwas dagegen tun zu können. Seine Fassade brach und er war nur noch Johannes, der verliebte Narr. Nach einer Weile standen sie sich wieder schweigend gegenüber, doch die Fremdheit war zu etwas anderem geworden, immer noch vorhanden, aber nicht mehr beängstigend.
    »Nun gut«, sagte Jelena schließlich. »Dann zeig mal, wie gut du gegen Drachen kämpfen kannst.« Sie wandte sich um und winkte ihm, ihr ins Haus zu folgen. Johannes schulterte sein Gepäck und beeilte sich, zu ihr aufzuholen. Er hatte Jelena zum Lachen gebracht, immerhin. Für ein neues Haus, eine neue Stadt, eine neue Zeit war das sicher nicht der schlechteste Anfang!

Geschichten, Geister und Gerüchte –  ein Nachwort
    Die Newamündung im Sommer 1706: Tausende von Leibeigenen rammen Eichenpfähle in den Boden, schaufeln mit bloßen Händen Erde in Säcke oder oft auch nur in Rockschöße und Jacken und schütten das sumpfige Erdreich auf. Man hat bereits damit begonnen, die Erdwälle der Peter-und-Paul-Festung auf der Haseninsel durch Steinmauern zu ersetzen. Noch gleicht die Stadt, die hier den Sümpfen abgetrotzt wird, an vielen Stellen einer schlammigen Barackensiedlung. Die Arbeitsbedingungen sind unmenschlich, die Arbeiter, die aus allen Teilen des Zarenreiches zur Fronarbeit rekrutiert wurden, leiden unter den Mücken und Krankheiten, den Winterstürmen und der Nahrungsknappheit. Viele von ihnen kommen zu Tode. Erst wenige Jahre zuvor war die schwedische Festung Nyenschanz, die an diesem Ort gestanden hatte, gefallen; nach wie vor tobt der Nordische Krieg gegen Schweden unter Karl XII. Endgültig gesichert ist die Stadt, deren Grundstein (wahrscheinlich war es eher eine Torfsode) im Mai 1703 gelegt wurde, noch lange nicht. Manchmal hören die Arbeiter an Land sogar die Geschützfeuer der Seeschlachten.
    Den Entschluss, mitten in diesem sumpfigen Ufergebiet der Newamündung eine große Stadt buchstäblich aus dem Boden zu stampfen, fasste einer der größten russischen
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