Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss der Göttin (German Edition)

Der Kuss der Göttin (German Edition)

Titel: Der Kuss der Göttin (German Edition)
Autoren: Aprilynne Pike
Vom Netzwerk:
seinem historischen Rollenspiel gefangen wäre, hätte er mich dann nicht tagsüber angesprochen und sich mir mit einem überzogenen Wedeln seines Hutes oder etwas ähnlich Theatralischem vorgestellt?
    Und diese flackernde Frau … Noch ein weiterer Punkt auf meiner Liste von Themen, über die ich eigentlich nicht nachdenken möchte.
    Als ich bei der Physiotherapie ankomme, schaue ich mir im Rückspiegel auf der Beifahrerseite irgendeines Wagens auf dem Parkplatz meine verletzte Stirn an. Ich habe einen Kratzer mit einem kleinen Schmutzstreifen an einer Seite. Ich lecke mir den Finger an und versuche, den Fleck wegzureiben. Die abgeschürfte Haut brennt jedes Mal, wenn ich sie berühre, aber ich ignoriere das und reibe, bis der gräuliche Streifen weg ist. Ich drapiere meinen kurzen Pony über den flachen Kratzer und versuche, mir einzureden, niemand werde ihn bemerken.
    Ich will gerade hineingehen, als mein Handy klingelt. »Elizabeth?«, flüstere ich vor mich hin. Es ist nicht so, als würde sie nie anrufen – sie hat eine Zeit lang einigermaßen regelmäßig nach mir geschaut. Aber das ist schon eine Weile her. »Hallo, Elizabeth«, sage ich.
    »Hast du eine Sekunde Zeit?«, fragt sie fröhlich, aber ich bin trotzdem total nervös.
    »Ein paar«, sage ich mit Blick auf das Physiotherapiezentrum.
    Ich höre, wie sie Luft holt, dann zögert. »Ich habe heute Morgen mit deinem Onkel gesprochen. Er sagte, du seist sehr früh wach gewesen. Um zwei Uhr nachts.«
    Mir klappt vor Überraschung der Mund auf. »Jay?« Verräter , denke ich und trete gegen den Reifen des Autos, neben dem ich stehe.
    »Gib nicht ihm die Schuld«, sagt Elizabeth. »Er dachte nur, es könnte wichtig sein.«
    Als würde es das besser machen. »Na ja, ist es nicht. Ich hatte einen Albtraum. Das ist alles.«
    »Von dem Absturz?«
    »Hat Jay dir das nicht gesagt?« Ich klinge gereizt, aber das ist mir völlig egal. Ich habe sowieso schon das Gefühl, in einem Goldfischglas zu leben; ich brauche keine weitere Bestätigung dafür.
    Elizabeth sagt nichts, aber das muss sie auch nicht; ich weiß, was sie sagen will: Tavia, du lenkst vom Thema ab .
    »Nein«, antworte ich schließlich, eine Hand als Faust auf der Hüfte. »Es hatte nichts mit dem Absturz zu tun – deshalb ist es auch nicht wichtig.«
    »Weißt du, nur weil in dem Traum kein Flugzeug vorkam, heißt das nicht, dass dein Unterbewusstsein nicht versucht, den Absturz zu verarbeiten. Viele Träume – eigentlich die meisten – sind nicht wörtlich zu nehmen.«
    Sie lässt das Gespräch in der Luft hängen und wartet darauf, dass ich es lenke. Ich kenne ihre Tricks.
    Aber das heißt nicht, dass sie nicht funktionieren.
    »Ich bin ertrunken«, sage ich und drehe mich mit dem Rücken zu dem Therapiezentrum, als könnte mich jemand im Inneren hören. »Ein stereotypischer Traum. Wie normale Leute sie haben«, füge ich hinzu, betone das Wort normal und schließe mich damit eindeutig aus dieser Kategorie aus.
    »Willst du es mir erzählen?«, fragt Elizabeth
    Ich will nicht über das Wasser sprechen. Allein der Gedanke daran bringt mich am ganzen Körper zum Zittern. Also erzähle ich ihr eine möglichst kurze Version und überspringe meine Gefühle dabei.
    »Konntest du danach wieder einschlafen oder hat dich der Traum weiterhin beschäftigt?« Sie benutzt das Wort Traum statt Albtraum . Ich habe den Verdacht, damit soll es neutraler klingen, aber ich wünschte, sie würde es beim Namen nennen. Träume machen dir nicht solche Angst, dass du aufhörst zu atmen. »Ich bin nach unten gegangen und habe ein Glas heiße Milch getrunken, das hat mich beruhigt.«
    Schweigen. Elizabeth weiß, dass mehr dahintersteckt, und wartet. Sie wartet einfach. So macht sie es auch in ihrem Büro – es ist zum Verrücktwerden.
    Aber es funktioniert.
    Fast gegen meinen Willen fange ich an zu sprechen. »Da ist …« Ich weiß, wenn ich es ihr erst erzählt habe, gibt es kein Zurück mehr. Ich kann kaum glauben, dass ich das tue. Meiner Seelenklempnerin. Ich gehe mit meinen Jungsproblemen zu meiner Psychologin. Aber mit wem kann ich sonst darüber sprechen? Nicht mit Reese oder Jay. Einfach … nein.
    Und Benson hat mir schon gesagt, was ich seiner Meinung nach tun sollte. Ich glaube, ich muss mit einer anderen Frau reden. Vielleicht hilft ihr das romantische Chromosom, das wir alle zu haben scheinen, dieses seltsame Gefühl zu verstehen.

    »Da ist ein – ein Typ. Ich habe ihn gerade eben zum ersten Mal gesehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher