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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund
Autoren: Roald Dahl
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oder später werden Sie wohl ganz hübsch gebissen werden», meinte Claud. Aber er war sichtlich beeindruckt, und der Rattenfänger gewann seine Selbstsicherheit wieder.
    «Soll ich Ihnen etwas noch viel Erstaunlicheres zeigen?» fragte er. «Etwas, das Sie gar nicht glauben würden, wenn Sie es nicht mit eigenen Augen gesehen haben?»
    «Na?»
    Wir standen draußen vor den Tanksäulen, und es war einer jener angenehm warmen Novembervormittage. Zwei Autos fuhren vor, um zu tanken, eines hinter dem ändern, und Claud ging hin, um sie abzufertigen.
    «Wollen Sie's sehen?» fragte der Rattenfänger.
    Ich warf Claud einen unsicheren Blick zu. «Doch», sagte Claud, «lassen Sie mal sehen.»
    Der Rattenfänger ließ die tote Ratte in die eine Tasche gleiten, das Frettchen in die andere. Dann langte er in den Rucksack hinein und holte, weiß Gott, eine zweite lebende Ratte daraus hervor.
    «Na, so was!» sagte Claud.
    «Ich habe immer eine Ratte oder zwei auf mir», erklärte der Mann seelenruhig. «In meinem Beruf muß man die Ratten kennen, und wenn man sie kennenlernen will, muß man sie in seiner Nähe haben. Das hier ist eine Kanalratte. Eine alte Kanalratte, schlauer als schlau. Sehen Sie, wie sie mich die halbe Zeit beobachtet, um herauszukriegen, was ich vorhabe? Sehen Sie das?»

    «Ein widerliches Tier.»
    «Was haben Sie im Sinn?» fragte ich. Ich versprach mir noch weniger davon als das letzte Mal.
    «Holen Sie mir ein Stück Bindfaden.»
    Claud holte ihm ein Stück Bindfaden.
    Mit der Linken schlang der Mann dem Tier die Schnur um ein Hinterbein. Die Ratte zappelte und suchte den Kopf herumzukriegen, um zu sehen, was da hinten vorging, aber er hielt sie mit Finger und Daumen fest um den Hals gepackt.
    «So», sagte er dann und schaute in die Runde. «Sie haben da drin einen Tisch.»
    «Wir wollen die Ratte nicht im Haus drin», erklärte ich.
    «Ich brauche aber einen Tisch. Oder sonst etwas wie eine Tischplatte.»
    «Wie wär's mit der Haube dieses Wagens da?» fragte Claud.
    Wir traten zu dem Auto hin, und der Mann setzte die alte Kanalratte auf die Motorhaube. Dann befestigte er die Schnur am Scheibenwischer, so daß die Ratte angepflockt war.
    Zuerst kauerte sie reglos und argwöhnisch da, eine große graue Ratte mit funkelnden schwarzen Augen und einem schuppigen Schwanz, der auf der Motorhaube hingeringelt lag. Sie schaute vom Rattenfänger weg, lauerte aber aus einem Augenwinkel darauf, was er wohl im Schilde führe. Der Mann trat ein paar Schritte zurück, und sogleich schien die Ratte erleichtert. Sie setzte sich auf die Hinterbacken und begann sich den grauen Pelz auf der Brust zu lecken. Dann putzte sie sich mit beiden Vorderpfoten die Schnauze. Um die drei Zuschauer in der Nähe schien sie sich nicht zu kümmern.
    «Und nun, wie wär's mit einer kleinen Wette?» fragte der Rattenfänger.
    «Wetten tun wir nicht.»
    «Nur zum Spaß. Es macht mehr Spaß, wenn man wettet.»
    «Worauf wollen Sie denn wetten?»
    «Ich wette, daß ich die Ratte töten kann, ohne die Hände zu gebrauchen. Ich stecke die Hände in die Taschen und brauche sie überhaupt nicht.»
    «Sie wollen mit dem Fuß nach ihr treten», meinte Claud.
    Offenbar hatte der Rattenfänger es darauf abgesehen, etwas zu verdienen. Ich schaute die Ratte an, die getötet werden sollte, und es war mir unbehaglich dabei; nicht, weil sie getötet werden, vielmehr weil es auf eine besondere, geradezu genießerische Art geschehen sollte.
    «Nein», sagte der Rattenfänger. «Nicht mit dem Fuß.»
    «Auch nicht mit den Armen?» fragte Claud.
    «Weder mit den Armen noch mit den Beinen oder den Händen.»
    «Sie werden sich draufsetzen.»
    «Nein. Zerquetscht wird sie nicht.»
    «Da bin ich gespannt, wie Sie das machen.»
    «Zuerst wetten wir. Um ein Pfund.»
    «Seien Sie nicht albern», sagte Claud. «Wie kommen wir dazu, Ihnen ein Pfund zu geben?»
    «Wieviel wollen Sie wetten?»
    «Nichts.»
    «Schön. Dann eben nicht.»
    Er tat, als wolle er die Schnur vom Scheibenwischer losknüpfen.
    «Einen Shilling wette ich», erklärte Claud. Das merkwürdige Gefühl in meiner Magengrube nahm zu, aber etwas an der Sache schlug mich in seinen Bann; ich konnte mich nicht losreißen.
    «Sie auch?»
    «Nein», sagte ich.
    «Wo fehlt's denn Ihnen?» fragte der Rattenfänger.
    «Wetten tu ich nun einmal nicht.»
    «Ich soll das also für einen lumpigen Shilling machen?»
    «Meinetwegen brauchen Sie es überhaupt nicht zu machen.»
    «Wo ist das Geld?» fragte er
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