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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund
Autoren: Roald Dahl
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vorausging. Claud und ich lehnten uns an das Gatter und schauten zu, wie er um den Heustock herumging und sich bückte, um nach den angehäuften Giftkörnern zu sehen.
    «Da stimmt etwas nicht», murmelte er verärgert.
    Er zuckelte zu einem ändern Häufchen hin und ließ sich auf die Knie nieder, um es genau zu untersuchen.
    «Da stimmt etwas ganz und gar nicht.»
    «Was fehlt denn?»
    Er gab keine Antwort, aber es war offensichtlich, daß die Ratten seinen Köder nicht angerührt hatten.
    «Das hier sind sehr schlaue Ratten», bemerkte ich.
    «Genau das habe ich ihm auch gesagt, Gordon. Es sind keine gewöhnlichen Ratten, mit denen wir es hier zu tun haben.»
    Der Rattenfänger trat zu uns heran. Es war ihm anzusehen, daß er sehr verärgert war. «Ach was», sagte er zu mir. «Mit diesen Ratten ist weiter nichts, als daß jemand sie füttert. Sie haben irgendwo etwas Saftiges zu fressen, und zwar in rauhen Mengen. Ratten, die Hafer verschmähen, das gibt's ja gar nicht, es sei denn, sie sind bereits vollgefressen.»
    «Schlaue Tiere», bemerkte Claud.
    Angewidert wandte sich der Mann ab. Dann kniete er wieder nieder und begann die Giftkörner mit einem Schäufelchen aufzuheben und sorgfältig in die Dose zu schütten. Als er damit fertig war, begaben wir uns zu dritt wieder zurück.
    Ein etwas kläglicher, gedemütigter Rattenfänger stand jetzt versonnen bei den Tanksäulen. Er hatte sich in sich selbst zurückgezogen und sann schweigend über seinen Mißerfolg nach, mit einem bösen Funkeln seiner verschleierten Augen. Wenn er sich die Lippen befeuchtete, umfuhr die Zungenspitze die beiden gelben Zähne. Auf das Befeuchten der Lippen legte er offenbar großen Wert. Auf einmal warf er zuerst mir, dann Claud einen verstohlenen Blick zu. Er zuckte mit der Nasenspitze und schnupperte, wippte ein paarmal auf den Sohlen und sagte dann leise: «Soll ich Ihnen etwas zeigen?» Offenbar wollte er seinem Ruf wieder aufhelfen.
    «Was denn?»
    «Soll ich Ihnen etwas Erstaunliches zeigen?» Während er sprach, langte er mit der Rechten tief in die Rocktasche und holte mit festem Griff eine große, lebende Ratte hervor.

    «Mensch!»
    «Ah, sehen Sie!» Er stand jetzt etwas gebückt und machte einen langen Hals, während er uns verschmitzt anschaute und diese gewaltige braune Ratte zwischen Finger und Daumen wie in einer Zwinge hielt, so daß sie den Kopf nicht drehen und nicht zubeißen konnte.
    «Tragen Sie immer Ratten mit sich herum?»
    «Ich habe immer eine Ratte oder zwei auf mir.»
    Darauf fuhr er mit der freien Hand in die andere Tasche und brachte ein kleines weißes Frettchen zum Vorschein.
    «Ein Frettchen», sagte er und hielt es am Genick empor.
    Das Tier schien ihn zu kennen und ließ sich ruhig halten.
    «Es gibt nichts, was einer Ratte schneller den Garaus macht, als ein Frettchen. Und nichts, wovor eine Ratte größere Angst hat.»
    Er hielt die beiden Tiere so vor sich hin, daß die Nase des Frettchens nur noch eine Handbreit von der Ratte entfernt war. Mit seinen roten Glasperlenaugen sah das Frettchen die Ratte starr an. Diese wehrte sich verzweifelt und suchte von dem mörderischen Gegner wegzukommen.
    «Und jetzt», sagte er, «aufgepaßt!»
    Der Kragen seines khakifarbenen Hemdes stand offen, und er hob die Ratte empor und ließ sie ins Hemd hineingleiten, zwischen Hemd und Haut. Sobald er die Hand frei hatte, knöpfte er vorne den Kittel auf, so daß man sehen konnte, wie das Hemd sich ausbauschte, wo die Ratte war. Der Gürtel hinderte sie daran, nach unten zu entkommen.
    Dann ließ er das Frettchen hinterhergleiten.
    Sogleich entstand unter dem Hemd ein gewaltiger Aufruhr. Offenbar lief die Ratte rund um ihn herum, verfolgt von dem Frettchen. Sechs- oder siebenmal ging es ringsum, die kleinere Ausbuchtung immer hinter der größeren her, wobei der Abstand zwischen den beiden sich jedesmal etwas verringerte, bis sie schließlich zusammentrafen, worauf ein wildes Gemenge und Gequietsche entstand.
    Während der ganzen Vorstellung hatte der Rattenfänger mit gespreizten Beinen völlig reglos dagestanden, mit locker herabhängenden Armen, den dunklen Blick auf Claud geheftet. Nun griff er mit der einen Hand in sein Hemd hinein und holte das Frettchen heraus; mit der andern zog er die tote Ratte hervor. An der weißen Schnauze des Frettchens waren Blutspuren zu sehen.
    «Ich weiß nicht, ob das sehr schön war.»
    «Jedenfalls haben Sie bestimmt noch nie so was gesehen.»
    «Das nicht, nein.»
    «Früher
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