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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund
Autoren: Roald Dahl
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Ratten nicht bei. Ratten sind klug, das kann ich Ihnen sagen. Wer sie fangen will, muß sie kennen. Unsereiner muß sich in Ratten auskennen.»
    Ich konnte sehen, wie Claud große Augen machte, offenbar fasziniert.
    «Klüger als Hunde sind sie, die Ratten.»
    «Ach was.»
    «Wissen Sie, was die tun? Sie beobachten einen! Die ganze Zeit, während man Vorkehrungen trifft, um sie zu fangen, sitzen sie ruhig in einer Ecke und sehen einem zu.» Der Mann ging in die Knie und machte einen langen Hals.
    «Wie stellen Sie es denn an?» fragte Claud gespannt.
    «Ah! Das ist es eben. Man muß sich in den Ratten auskennen.»
    «Wie fangen Sie sie?»
    «Es gibt verschiedene Methoden», meinte der Rattenfänger verschmitzt.
    Er hielt inne und nickte bedächtig mit dem abstoßenden Kopf. «Das kommt ganz darauf an», erklärte er, «wo sie stecken. Bei Ihnen handelt es sich nicht um die Kanalisation, wie?»
    «Nein.»
    «Eine knifflige Sache, das mit der Kanalisation. Ja», sagte er und schnupperte mit seiner beweglichen Nasenspitze behutsam in der Luft herum, «das mit der Kanalisation ist eine knifflige Sache.»
    «So schwierig kann das ja nicht sein.»
    «Ach nein? Dann versuchen Sie's doch mal. Wie würden Sie denn da vorgehen? Ich bin gespannt.»
    «Ich würde sie ganz einfach vergiften.»
    «Ganz einfach, wie? Und wo würden Sie das Gift hintun, wenn man fragen darf?»
    «In die Kanalisation, wohin denn sonst!»
    «So!» frohlockte der Rattenfänger. «Hab ich's mir doch gedacht! In die Kanalisation! Und wissen Sie, was dann geschieht? Es wird einfach weggeschwemmt. Abwasserkanäle sind wie ein Fluß, müssen Sie wissen.»
    «Das sagen Sie so», erwiderte Claud. «Das ist nur eine Behauptung.»
    «Es ist eine Tatsache.»
    «Na schön, meinetwegen. Was würden Sie denn tun?»
    «Da muß man eben die Ratten kennen, wenn es sich um die Kanalisation handelt.»
    «Also, wie denn?»
    «Hören Sie zu. Ich erklär's Ihnen.» Der Rattenfänger trat einen Schritt näher und schlug einen geheimnisvollen Ton an, wie einer, der im Vertrauen unerhörte Berufsgeheimnisse auskramt. «Man geht von der Voraussetzung aus, daß die Ratte ein Nagetier ist. Ratten nagen. Was immer man ihnen vorsetzt, ganz gleich was, alles, was sie noch nie gesehen haben, was tun sie damit? Sie nagen daran. Na also, ist doch klar! Man hat es mit einem Abwasserkanal zu tun, und was macht man?»
    Seine Stimme, leise und kehlig, hatte etwas vom Quaken eines Frosches; auch ließ er gewissermaßen jedes Wort genießerisch auf der Zunge zergehen. Er sprach, ähnlich wie Claud, mit dem breiten, mundartlichen Einschlag, wie er in Buckinghamshire auf dem Lande üblich ist, nur daß er die Worte mehr auskostete.
    «Was macht man? Man steigt einfach in den Kanal hinunter und nimmt ein paar Papiertüten mit, gewöhnliche braune Papiertüten, und diese Tüten sind mit Gips gefüllt. Sonst nichts. Dann hängt man die Tüten an der Decke der Kanalröhren auf, daß sie fast bis zum Wasser herabhängen, aber nicht ganz. Klar? Nicht ganz bis zum Wasser und gerade hoch genug, daß eine Ratte sie noch erreichen kann.»
    Gespannt hörte Claud zu.
    «Das wär's dann. Die Ratte kommt herangeschwommen und sieht die Tüte. Sie stutzt. Sie riecht daran und findet den Geruch gar nicht übel. Und dann, was tut sie dann?»
    «Sie nagt daran!» rief Claud.
    «Klar, Mensch, versteht sich. Sie fängt an, an der Tüte zu nagen, und die Tüte platzt, und die alte Ratte kriegt einen Mundvoll Gips ab.»
    «Na und?»
    «Damit ist sie erledigt.»
    «Wie, erledigt?»
    «Jawohl, tot.»
    «Aber Gips ist doch nicht giftig.»
    «Ah, da irren Sie sich. Gips geht auf. Wenn er feucht wird, geht er auf. Im Körper der Ratte drin geht er auf, und daran krepiert die Ratte, schneller als an irgend etwas anderem.»
    «Nein!»
    «Man muß sich eben in den Ratten auskennen.»
    Der Rattenfänger strahlte vor heimlichem Stolz; er rieb sich die knochigen Hände, die er sich vor das Gesicht hielt. Claud schaute ihm fasziniert zu.
    «Also, wo sind diese Ratten?» Das Wort ‹Ratten› ließ er genießerisch wie Butter auf der Zunge zergehen. «Sehen wir uns diese Ratten einmal an.»
    «Dort drüben im Heustock, auf der andern Seite der Straße.»
    «Nicht im Haus?» fragte er, sichtlich enttäuscht.
    «Nein, nur um den Heustock herum, sonst nirgends.»
    «Die sind bestimmt auch im Haus. Machen sich nachts an die Lebensmittel heran und verbreiten Krankheiten und Seuchen. Haben Sie Krankheitsfälle hier?» fragte er,
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