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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten
Autoren: H. G. Wells
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lief neben ihm her. Er ging an mir vorüber und wünschte mir gute Nacht. Ich wollte mit ihm sprechen, konnte es aber nicht. Ich erwiderte seinen Gruß mit einem bedeutungslosen Gemurmel und ging weiter über die Brücke. Über den Maybury-Viadukt brauste südwärts ein Zug, ein wogendes Wallen weißen, feurigen Rauches, eine lange Raupe erleuchteter Fenster: ein Poltern und Rasseln und Klirren, und fort war er. Eine spärliche Gruppe von Leuten stand plaudernd im Flur eines hübschen Giebelhauses. Das alles war so wirklich und vertraut. Und alles, was hinter mir lag, wie unsinnig und phantastisch! Solche Dinge, sagte ich mir, konnte es ja gar nicht geben.
    Ich bin vielleicht ein Mann von ganz besonderen Stimmungen. Ich weiß nicht, wieweit meine Erfahrungen allgemeiner Natur sind. Ich habe Zeiten, in denen ich von den seltsamsten Empfindungen heimgesucht werde, als sei ich von mir selbst und meiner Umgebung losgelöst. Mir ist, als beobachtete ich alles von außen her, aus einer unfaßlich großen Entfernung, außerhalb der Zeit, außerhalb des Raumes, jenseits von allem, was bedrückt und traurig macht. Diese Empfindung war in jener Nacht sehr stark. Das war ein ariderer Teil meines Traumes.
    Aber was mich verwirrte, war der schreiende Widerspruch zwischen der Heiterkeit, die meine Augen sahen, und dem pfeilschnellen Tod, der dort drüben, nicht zwei Meilen entfernt, umherraste. Von den Gaswerken her scholl geschäftiger Lärm, und die elektrischen Lampen strahlten hell. Als ich zu der plaudernden Menschengruppe kam, machte ich halt.
    "Was gibt's Neues auf der Weide?" fragte ich.
    Zwei Männer und eine Frau standen beim Tor.
    "Was?" rief einer der Männer, sich mir zuwendend.
    "Was es Neues auf der Weide gibt?" wiederholte ich.
    "Ja, sind Sie denn nicht gerade dort gewesen?" fragten die Männer.
    "Die Leute scheinen ja ganz verrückt zu sein wegen der Weide", ließ sich jetzt die Frau vom Flur her vernehmen. "Was ist denn eigentlich los?"
    "Haben Sie denn nichts von den Marsleuten gehört?" fragte ich. "Von den Geschöpfen vom Mars?"
    "Mehr als genug", sagte die Frau. "Danke", und alle drei lachten.
    Ich fühlte mich beschämt und verärgert. Ich versuchte, ihnen mitzuteilen, was ich gesehen hatte, und konnte es nicht. Sie lachten immer nur über meine gebrochenen Sätze.
    "Ihr werdet noch mehr davon hören", sagte ich und ging fort zu meinem Haus.
    Schon im Hausflur erschreckte ich meine Frau durch meine eingefallenen Züge. Ich ging in das Speisezimmer, setzte mich, trank etwas Wein, und sowie ich mich etwas gesammelt hatte, erzählte ich ihr, was ich gesehen hatte. Das Essen, das aus kalten Gerichten bestand, war schon aufgetragen, blieb aber unberührt auf dem Tisch, während ich alles erzählte.
    "In einem kann ich dich beruhigen", sagte ich, um die Furcht, die ich in ihr geweckt hatte, wieder abzuschwächen. "Es sind die plumpsten Geschöpfe, die ich je kriechen sah. Sie mögen die Grube besetzt halten und alle Leute, die ihnen nahe kommen, umbringen; aber sie können nicht aus ihr heraus ... Aber scheußlich sind sie!"
    "Bitte, nicht!" sagte meine Frau. Sie zog ihre Brauen zusammen und legte ihre Hand auf die meine.
    "Der arme Ogilvy!" sagte ich. "Zu denken, daß er da draußen tot liegt!"
    Meine Frau wenigstens fand meine Erlebnisse nicht unglaubwürdig. Als ich sah, wie die Totenblässe ihr Gesicht bedeckte, brach ich plötzlich ab.
    "Sie könnten hierher kommen", sagte sie immer wieder.
    Ich bat sie, Wein zu trinken, und bemühte mich, sie zu beruhigen.
    "Sie können sich ja kaum bewegen", sagte ich.
    Ich begann nun sie und mich selbst dadurch zu trösten, daß ich alles wiederholte, was Ogilvy mir über die Unmöglichkeit eines dauernden Aufenthaltes der Marsbewohner auf der Erde gesagt hatte. Besonderes Gewicht legte ich auf die Schwierigkeiten der Gravitation. Auf der Oberfläche der Erde ist die Schwerkraft dreimal so groß wie auf der des Mars. Ein Marsbewohner würde daher hier dreimal soviel wiegen, seine Muskelkraft aber würde gleich bleiben. Sein eigener Körper würde ihn daher drücken wie ein Bleigewicht. Wirklich war das die allgemeine Ansicht. Sowohl die "Times" wie der "Daily Telegraph" unter anderen Blättern übersahen, genauso wie ich, zwei diese Tatsachen offenbar umstoßende Erscheinungen.
    Wie wir jetzt wissen, enthält die Atmosphäre der Erde weit mehr Sauerstoff oder, anders ausgedrückt, weit weniger Argon als die des Mars. Der kräftigende Einfluß von so viel Sauerstoff auf die
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