Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten
Autoren: H. G. Wells
Vom Netzwerk:
Marsbewohnern geteilt wird. Auf ihrem Stern ist die Abkühlung schon weit vorgeschritten. Diese Welt ist noch voller Leben, aber in ihren Augen ist es nur minderwertiges, tierisches. Den Krieg sonnenwärts zu tragen, ist wirklich ihre einzige Rettung vor der Vernichtung, die von Geschlecht zu Geschlecht immer näher an sie heranschleicht.
    Und bevor wir sie zu hart beurteilen, müssen wir uns erinnern, mit welcher schonungslosen und grausamen Vernichtung unsere eigene Gattung nicht nur gegen Tiere wie den verschwundenen Bison und den Dodo, sondern gegen unsere eigenen inferioren Rassen gewütet hat. Die Tasmanier wurden trotz ihrer Menschenähnlichkeit in einem von europäischen Einwanderern geführten Vernichtungskrieg binnen fünfzig Jahren völlig ausgerottet. Sind wir solche Apostel der Gnade, daß wir uns beklagen dürfen, wenn die Marsleute uns in demselben Geist bekriegen? Die Marsleute scheinen ihren Angriff mit erstaunlicher Genauigkeit berechnet zu haben - ihre mathematischen Kenntnisse sind den unsrigen offenbar weit überlegen - und ihre Vorbereitungen trafen sie mit fast vollkommener Einmütigkeit. Hätten unsere Instrumente es erlaubt, so hätten wir die drohende Gefahr schon früh im xix. Jahrhundert sehen können. Männer wie Schiaparelli beobachteten den roten Planeten - beiläufig bemerkt, ist es nicht seltsam, daß seit ungezählten Jahrhunderten Mars der Stern des Krieges gewesen ist? - aber sie waren außerstande, die schwankenden Erscheinungen zu erklären, die sie auf ihren Karten so genau verzeichneten. Während dieser ganzen Zeit müssen die Marsleute sich gerüstet haben. Im Verlauf der Opposition von 1894 wurde auf dem erhellten Teil der Scheibe ein großes Licht wahrgenommen, zuerst im Lick-Observatorium, dann von Perrotin in Nizza, später auch von anderen Beobachtern. Englische Leser hörten zuerst davon in einer Nummer der "Nature" vom 2. August. Ich bin der Ansicht, daß die Erscheinung der Reflex des in einer ungeheuren Vertiefung ihres Planeten angebrachten Geschützes war, aus dem ihre Geschosse auf uns gefeuert wurden. Sonderbare, noch unaufgeklärte Zeichen wurden in der Nähe jenes Ausbruchs während der nächsten zwei Oppositionen beobachtet.
    Der Sturm brach vor sechs Jahren über uns los. Als der Mars sich der Opposition näherte, gab Lavelle in Java über die Drähte der astronomischen Mitteilungsstation die verblüffende Nachricht von einem ungeheuren Ausbruch weißglühenden Gases auf dem Planeten bekannt. Das hatte am 12. gegen Mitternacht stattgefunden. Das Spektroskop, zu dem er sich sofort begab, zeigte eine Masse flammenden Gases an, hauptsächlich Wasserstoff, das sich mit enormer Schnelligkeit auf die Erde zu bewegte. Dieser Feuerstrahl war ungefähr ein Viertel nach zwölf unsichtbar geworden. Er verglich ihn mit einem ungeheuren flammenden Gebläse, das plötzlich und gewaltsam aus dem Planeten hervorschoß "wie flammendes Gas aus einer Kanone".
    Das erwies sich als ein selten zutreffender Ausdruck. Doch am nächsten Tag las man kein Wort davon in den Zeitungen, nur eine kleine Notiz im "Daily Telegraph". Die Welt verharrte in Ungewißheit über eine der größten Gefahren, die jemals das menschliche Geschlecht bedroht hat. Ich hätte von der Eruption überhaupt nichts gehört, wäre mir nicht der bekannte Astronom Ogilvy in Ottershaw begegnet. Ihn hatte die Nachricht ungemein erregt, und im Übermaß seiner Gefühle lud er mich ein, in jener Nacht mit ihm zusammen eine Prüfung des roten Planeten vorzunehmen. Trotz allem, was ich seither erlebt habe, erinnere ich mich noch sehr genau jener Nachtwache: das schwarze, stille Observatorium, die beschattete Laterne, die einen schwachen Schimmer auf den Boden in der Ecke warf, das unausgesetzte Ticken des Uhrwerks am Teleskop, den länglichen Spalt im Dach, der den Blick auf das Sternenmeer freigab. Ogilvy schritt auf und nieder, nicht sichtbar, aber hörbar. Blickte man durch das Teleskop, dann gewahrte man einen tiefblauen Kreis und darin schwimmend den kleinen runden Planeten.
    Dicht neben ihm im Gesichtsfeld, erinnere ich mich, waren drei kleine Lichtpunkte, drei teleskopische Sterne, unendlich fern, und um sie herum brütete die unergründliche Finsternis des leeren Weltraums. Man weiß, wie diese Finsternis in einer frostigen, sternhellen Nacht aussieht. Durch das Teleskop betrachtet scheint sie noch weit tiefer. Und unsichtbar für mich, weil es so fern und klein war, legte jenes Etwas eine unglaubliche Strecke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher