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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Autoren: Ralf Isau
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ein, die Sowjetunion habe Japan den Krieg erklärt. Der Fuchs Stalin stahl sich in den Hühnerstall, nachdem die Alliierten bereits sämtliche Türen und Fenster aufgebrochen hatten. Jetzt wollte er sich ohne große Verluste seinen Anteil von der Beute sichern. Kopfschüttelnd verfolgte David, wie man »diese Hinterlist« des einstigen Verbündeten zwar ausgiebig beklagte, jedoch keinen Gedanken an eine Kapitulation verschwendete. Spätabends wurde die Sitzung ohne Ergebnis auf den nächsten Morgen vertagt.
    Am 9. August zeigte sich Hirohito höchst erzürnt über die Entschlussschwäche seiner Kriegsherren. David befand sich an seiner Seite, als er gegen zehn Uhr morgens seinen Geheimsiegelbewahrer zu sich zitierte. Kido erfuhr erst durch den Tenno vom Kriegseintritt der Sowjetunion – russische Truppen rückten in die Mandschurei vor. Noch einmal drang er auf einen raschen Friedensschluss, selbst wenn dabei die Potsdamer Proklamation akzeptiert werden musste.
    Danach begleitete er Kido zu Suzuki, der sich ebenfalls im Kaiserpalast aufhielt. Nachdem der Premierminister den Willen des Kaisers zur Kenntnis genommen hatte, berief er unverzüglich den Obersten Kriegsrat ein.
    Die Mitglieder dieses hauptsächlich aus Militärs bestehenden Gremiums legten auch diesmal alles andere als Eile an den Tag. Vielmehr schien sich der Würdenträger eine seltsame Lähmung bemächtigt zu haben, dessen Auslöser die neue Wunderwaffe der Amerikaner zu sein schien. Inzwischen hatte der leistungsfähige japanische Geheimdienst aus zuverlässiger Quelle (einer Rundfunksendung der BBC) erfahren, dass Hiroshima durch eine Atombombe zerstört worden war. Im Wettlauf mit den gestrauchelten Deutschen hätten die Vereinigten Staaten von Amerika damit bravourös als Erste die Zielschnur durchlaufen.
    Ungläubig musste David dann zuhören, wie sich die Mitglieder des Kriegsrats zwar ihre Niederlage eingestanden, aber dennoch von »letzten Angriffen«, vom »Kampf bis zum Tod« und vom »Sieg allem zum Trotz!« sprachen. Nur bei Außenminister Togo schien sich Davids Werben bezahlt gemacht zu haben. Er überschüttete die anderen Räte mit eisigen Worten der Wahrheit. Doch japanische Samurais waren hart im Nehmen, Wie Sommerhagel prallten Togos Worte von ihnen ab. Nichts schien ihren Panzer der Ignoranz durchdringen zu können.
    Der Vormittag ging über der Sitzung dahin. Nach einem Mittagessen lamentierte man weiter, David konnte es nicht fassen. Die feuchte Sommerhitze Tokyos lastete über einem absurden Schmierentheater, Dann kam die Nachricht von dem Unfasslichen.
    Eine Ordonnanz betrat, steif bis in die Haarspitzen, den Konferenzraum, Sie überbrachte eine Schreckensbotschaft: Eine zweite Atombombe war abgeworfen worden. Diesmal hatte es Nagasaki getroffen. Die Zahl der Opfer musste – nach den Erfahrungen, die man in Hiroshima gewonnen hatte – wohl über dreißigtausend liegen.
    David war wie betäubt. Alles hatte sich bis zu dieser Minute genau so zugetragen wie von ihm vorausgeahnt. Wann und wo würde die dritte Bombe fallen?
    Diese Frage war alles andere als abwegig, denn anstatt sich endlich die eigene Ohnmacht einzugestehen, zeigten die wohlerzogenen Männer im Obersten Kriegsrat kaum eine Regung. Kein Entsetzen war ihnen anzusehen, weder Furcht noch Empörung, weder Erschütterung noch Mitleid zeichnete sich auf den Gesichtern ab: eine Konferenz von Toten.
    Die Sitzung zog sich hin. Die einzelnen Minister der Teilstreitkräfte und die Chefs der Generalstäbe wollten an eine Kapitulation noch immer Bedingungen knüpfen. David wäre am liebsten auf den Konferenztisch gesprungen und hätte laut losgeschrien. Aber er war nur als stiller Zuhörer geduldet. Er wollte jedoch nicht länger unbeteiligt dasitzen, deshalb umrundete er den Tisch, neigte sich zu Shigenori Togo herab und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich muss Sie und Suzuki sprechen. Jetzt! Wenn Sie sich weigern, gehe ich zu Hirohito.«
    Es war ungefähr zehn Uhr nachts. Die Konferenz hatte einen toten Punkt erreicht. Man einigte sich schnell auf eine Vertagung.
    David machte dem Premier und dem Außenminister noch einmal den ganzen Ernst der Lage deutlich. Wenn das japanische Volk nicht weiteren Blutzoll zahlen, das Land nicht völlig zerrissen werden sollte, musste ein klares Friedenssignal her. Der Kaiser sei bereit, seiner Göttlichkeit abzuschwören. Das Einzige, was noch ausstehe, sei ein Beschluss des Rates.
    Die Politiker reagierten, wie es die alte japanische Tradition
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