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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Autoren: Ralf Isau
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diese furchtbare Erkenntnis auf, doch sein Körper blieb an die Reling gebannt stehen wie gefesselt mit gefrorener Gischt, mit einem Leichentuch aus Eis, das Negromanus für ihn gewoben hatte.
    Als der Schemen sich auf gleicher Höhe befand, wollte David schreien. Seine Brust verkrampfte sich, er konnte weder Luft holen noch einen einzigen Laut hervorbringen.
    Jeden Augenblick musste Negromanus sich umwenden. David machte sich auf das Unvermeidliche gefasst…
    Doch das Schattenwesen ging vorüber.
    Ungläubig blickte David ihm nach. Und allmählich löste sich die Erstarrung, schwand langsam auch die Kälte aus seinen Gliedern. In gierigen Zügen atmete er die laue Nachtluft ein. Endlich brach die ganze Furcht und Verzweiflung aus ihm heraus und er schrie…
     
     
    »… hörst du mich? Du sollst endlich aufwachen!«
    David öffnete blinzelnd die Augen. Für einen Moment sah er nur den Mond und die funkelnden Sterne, aber dann erschien ein engelsgleiches Gesicht vor seinen Augen.
    »Rebekka! W-was…? Wo…?«
    »Du hast einen bösen Traum gehabt und wie am Spieß geschrien. Aber jetzt ist alles gut.«
    David setzte sich ruckartig auf. Sein Kopf hatte in Rebekkas Schoß gelegen. Er erinnerte sich wieder an das Gespräch, das sie hier oben, an Deck der Taifun, über die gemeinsame Zukunft geführt hatten. Erst vor wenigen Stunden waren sie den Flammen in Toyamas Felsenpalast entkommen. Mit ihm hatte der Kreis der Dämmerung einen seiner mächtigsten Bundesgenossen verloren. Der Großmeister des Geheimzirkels, Lord Belial, würde bittere Tränen vergießen – wenn er zu solch einer menschlichen Regung überhaupt fähig war.
    »Dein Traum muss furchtbar gewesen sein«, begann Rebekka nun, weil David noch benommen schwieg. »Du hast dich im Schlaf aufgebäumt wie… Ich hatte schreckliche Angst um dich.«
    »Aufgebäumt?«, fragte David.
    »Ja, gekrümmt hast du dich. Richtig zum Fürchten war das.« Rebekka schüttelte sich.
    David bedachte sie mit einem argwöhnischen Blick, erwiderte jedoch nichts. Stattdessen wandte er sich dem Bug der Taifun zu. Der Fischkutter lief schon seit Stunden auf Nordkurs. In dieser Himmelsrichtung war auch Negromanus entschwunden. Alles nur ein Traum, sagte sich David. Ein Alptraum zwar, aber nicht mehr. Und dennoch: Vielleicht wollten die Bilder aus seinem Unterbewusstsein ihm etwas sagen? Warum hatte der Wellenwanderer nicht innegehalten und seinen Feind mit einem Blick getötet? Was trieb Negromanus zu solcher Eile an? Davids Hand wanderte zu dem Ring an seiner Halskette.
    Rebekka deutete die Geste auf ihre Weise, Sie legte den Arm um David, schmiegte sich an ihn und fragte: »Hast du von Negromanus geträumt?«
    Er nickte langsam, ohne den Blick vom Bug des Kutters zu nehmen. »Er kam über das Meer. Ich war wie gelähmt, dachte, er würde auch mich töten wie Vater, Mutter und all die anderen, aber er hat die Taifun nicht einmal angesehen. Negromanus ist einfach an ihr vorübergegangen.«
    »Am besten denkst du nicht mehr daran.« Rebekka klang nun bestimmt. »Die Jagd auf den Kreis der Dämmerung hat dir in letzter Zeit keine Ruhe gelassen. Und dann der Anblick Toyamas inmitten der Flammen! Kein Wunder, dass du schlechte Träume hast.«
    David wandte sich wieder ihr zu. Er blickte eine Zeit lang schweigend in ihre jettschwarzen Augen, dann begann er langsam den Kopf zu schütteln. »Damals, als meine Eltern von Negromanus ermordet wurden, hatte ich auch von ihm geträumt. Ich glaube, dieser Alptraum eben war eine Warnung.«
    Wie zum Widerspruch öffnete Rebekka rasch den Mund und holte tief Luft – brachte aber keinen Laut hervor.
    David spürte, wie erregt sie war. Gerade erst hatten sie über eine friedlichere Zeit gesprochen, über Kinder, die Rebekka sich so sehr wünschte. Wie nur sollte er ihr beibringen, dass an Sicherheit noch lange nicht zu denken war? Er wollte sie beruhigen. Doch mit dem, was er ihr sagen musste, würde er eher das Gegenteil erreichen.
    »Ich glaube, Negromanus ist uns nach Tokyo vorausgeeilt. Er weiß, dass wir dort noch etwas zu erledigen haben.«
    »Du meinst…?«
    David nickte bedeutungsvoll. »Yoshis Trauerfeier. Er war mein ältester Freund. Toyama muss davon gewusst und es auch Negromanus, vielleicht sogar Belial mitgeteilt haben. Jetzt wird während Yoshis Beisetzung irgendwo ein todbringender Schatten auf uns lauern. Ich glaube, dir ist klar, was das bedeutet.«
    Rebekka zögerte. Als sie dann endlich antwortete, klang sie betroffen:
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