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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Autoren: Ralf Isau
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Essen?«
    »Nicht ganz.« David musste schmunzeln. »Dazu fällt mir aber eine amüsante Begebenheit aus meiner Kindheit ein. Vater hatte mich zu einem besonderen Empfang mitgenommen, der vom japanischen Außenministerium veranstaltet wurde. Dazu gehörte auch ein pompöses Diner im japanischen Stil. Ein ahnungsloser amerikanischer Möchtegerndiplomat, der gerade erst aus Texas eingetroffen war, wollte seine Geschicklichkeit im Umgang mit den Essstäbchen vorführen und hielt dabei die Speisen auf dieselbe Art wie die Japaner die Knochen ihrer Verstorbenen anlässlich der Totenfeier. In dem Bankettsaal herrschte betretenes Schweigen. Ich erinnere mich noch, wie Vater mir zuraunte, ja nicht laut zu kichern. Die Japaner fühlten sich brüskiert. ›Ein Fauxpas sondergleichen!‹, beschwerte sich später einer der Gastgeber beim amerikanischen Botschafter. Soweit ich weiß, hat man den texanischen Neuzugang dann später nie mehr zu Gesicht bekommen.«
    Rebekka schüttelte ungläubig den Kopf und meinte verschmitzt: »Hätte ich von Anfang an gewusst, in wie viele Fettnäpfchen man hier in Japan treten kann, wäre ich vermutlich in New York geblieben.«
    David freute sich, sie endlich wieder lächeln zu sehen. Die Lage war zwar zu ernst für ausgelassenes Scherzen und Necken, wie es Rebekka sonst so liebte, doch hatte die Unterhaltung immerhin für einige kostbare Minuten Kurs in ruhigeres Fahrwasser genommen. Sie würde schon noch früh genug fragen, wie er sich seine Rolle bei Yoshis Urnenbeisetzung am nächsten Tag vorstellte.
    Bald darauf kehrte Yachiyoko mit ihrer Haushälterin vom Einkauf zurück. Eine halbe Stunde später traf auch der Hausherr ein.
    »Keine Spione«, berichtete er aufgeregt. »Dafür habe ich eine Nachricht für Sie, Murray-san.« Seine Hände zitterten vor Aufregung, als er David einen länglichen Umschlag reichte.
    Auf der Briefhülle prangte der Stempel der japanischen Post. Es handelte sich um ein Telegramm.
    Stirnrunzelnd blickte David von dem Kuvert zu Takeo Yonai. Die Augen des jungen Grafen klebten wie gebannt an der Nachricht.
    »Würden Sie mich bitte für einen Moment mit meiner Gemahlin allein lassen, Yonai-san?«
    Der Graf zuckte zusammen wie ein Junge, den man beim Naschen ertappt hatte. »Entschuldigen Sie, Murray-san. Selbstverständlich lasse ich Sie allein. Sie brauchen nur zu rufen, wenn Sie irgendetwas benötigen.«
    »Vielen Dank, Yonai-san.«
    Widerwillig entfernte sich der Gastgeber. Endlich ungestört, öffnete David den Umschlag.
    »Das Telegramm kommt aus New York.«
    Rebekka bemerkte sofort den Ernst in seiner Stimme. »Ist es von Brit?«
    David schüttelte den Kopf. »Von Henry. Er schreibt, sein Partner sei ernstlich an einer Infektion erkrankt. Weil er wisse, wie eng das Verhältnis zwischen Brit und uns sei, legt er uns nahe, umgehend in die Vereinigten Staaten zurückzukommen.«
    Rebekka stieß einen kleinen Schrei aus. »Soll das etwa heißen…?«
    Auch David war wie benommen.
    Wollen denn diese Hiobsbotschaften überhaupt kein Ende mehr nehmen? Um Rebekka nicht unnötig zu beunruhigen, rang er sich einen zuversichtlichen Ton ab, als er erwiderte: »Das muss nicht unbedingt das Schlimmste bedeuten. Überleg doch einmal: Läge Brit wirklich schon im Sterben, bräuchten wir uns gar nicht erst auf den weiten Weg zu machen. Vielleicht ist er einfach nur schwer mitgenommen und Henry möchte, dass ich ihn aufmuntere.«
    Rebekka nahm Davids Hand und drückte sie an ihre Brust. »Du bist lieb, weißt du das? Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, welche Sorgen du dir machst, und trotzdem versuchst du noch mich zu trösten. Eigentlich bin ich ganz froh, von hier für eine Weile wegzukommen. Je eher, desto besser.«
    David schenkte ihr ein ziemlich misslungenes Lächeln. Vor der Abreise musste er noch etwas erledigen. Der Gedanke daran duldete keinen anderen neben sich. Er wird mich erwarten. Morgen. Während der Beisetzungsfeier. Aber wenn ich nicht hingehe , wird er mir an irgendeinem anderen Ort auflauern, und genau dann, wenn ich es am allerwenigsten erwarte. Ich muss einfach hingehen und mich Negromanus stellen.
    David fand in dieser Nacht wenig Schlaf. Als Bettstatt diente den beiden eine baumwollgefütterte Matratze, die so durchgelegen war, dass er glaubte, selbst die Struktur der darunter liegenden Tatami-Matte noch erfühlen zu können. Unbegreiflicherweise schlummerte Rebekka neben ihm tief und fest.
    Natürlich war es das bevorstehende Zusammentreffen mit dem
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