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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Autoren: Ralf Isau
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die Glaskugel nicht mit aus dem Wagen genommen! David irrte im Dämmerlicht umher und suchte mit den Augen den Boden ab. Hinter ihm brannten die Außenbezirke der Stadt. Als die Druckwelle den Wagen herumgewirbelt hatte, musste der Lumpen mit der Kugel herausgeschleudert worden sein.
    Davids Nerven lagen blank. Sein Gesicht war feucht von Tränen. Nicht nur tausende von unschuldigen Menschen hatten sterben müssen, nein, zum zweiten Mal schien er das Mittel zur Vernichtung seines größten Feindes verloren zu haben. Sollte sich vielleicht sogar das Grauen von Hiroshima wiederholen, nur weil niemand dem Kreis der Dämmerung Einhalt gebot?
    Niedergeschlagen schleppte er sich zum Auto zurück. Fast hatte er es erreicht, als zu seiner Rechten eine kleine Gerölllawine von der Straßenböschung abging. Ungläubig starrte er auf einen hellen Fleck.
    Der Lumpen, in den er die Kugel eingeschlagen hatte! Mit wenigen Sätzen war David bei dem zerfetzten Lappen. Einzelne Glassplitter hingen daran, die letzten Überreste von Toyamas »Träne«. Aber wo war der Ring?
    David suchte wie wild zwischen den Steinen, kehrte das Unterste zuoberst. Nach einigen Minuten setzte er sich entmutigt auf die Erde, das Kinn auf die Brust gestützt. Seine Hände waren wund. Endlich holte er tief Luft und stand voll bitterer Verzweiflung auf, um diesem Ort des Schreckens den Rücken zu kehren. Ärgerlich stieß er einen im Wege liegenden Steinbrocken weg – und entdeckte ein helles Funkeln.
    Erst wollte es David gar nicht glauben. Alles Glück der Welt schien in einem gleißenden Lichtblitz verglüht zu sein. In seinem Herz gab es keinen Platz mehr für die Freude. Aber schließlich bückte er sich doch.
    Ungläubig betrachtete er dann den Ring in seiner Hand. An einem sicheren Ort lag das genaue Gegenstück dazu, einst hatte es am Finger des Jesuiten Scarelli alias Rasputin gesteckt. Der Siegelring schien vollkommen unbeschädigt zu sein. Nicht der geringste Kratzer verunzierte seine Makellosigkeit. Müde streifte David das Schmuckstück auf seine Halskette und rückte es neben Belials Ring.
    »Auf Okinawa wartet noch einer von euch«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Das wären dann insgesamt drei. Immerhin ein Viertel von zwölf Kreis der Dämmerung, mit dem heutigen Tag hast du einen unerbittlichen Gegner bekommen.«
     
     
    Wie und über welche Stationen er schließlich nach Tokyo gelangt war, wusste er später nicht mehr genau zu sagen. Unglaublicherweise hatte Yamagishis Limousine den Bombenabwurf »überlebt«. Allein die Frontscheibe war heil geblieben, sie hatte nur einen Sprung abbekommen. Wie ein Wahnsinniger fuhr David nach Osten. Immer wieder musste er Umwege nehmen. Die Landschaft flog an ihm vorbei, ohne dass er sie wirklich wahrnahm. Das grauenvolle Bild der verglühten und pulverisierten Stadt wollte nicht von seinem inneren Auge weichen. Er musste immerzu an die Menschen denken, die er tags zuvor noch auf dem Weg vom Flughafen her gesehen hatte, die Paare, Greise, Kinder… Vermutlich waren alle tot.
    Den Zwei-Uhr-Zug von Osaka nach Tokyo verpasste David. Erst kurz vor sechs erreichte er den Bahnhof. Den ursprünglichen Gedanken, auch die restliche Strecke mit dem klappernden und quietschenden Schrotthaufen zurückzulegen, ließ er schnell wieder fallen. Weder er noch das Auto verfügten über die dazu notwendigen Reserven.
    Deprimiert suchte er sich ein Hotel, zeigte müde das kaiserliche Empfehlungsschreiben vor und wurde in eine Suite einquartiert. Er verlangte nach einem Radio und man brachte es ihm. Im zensierten Rundfunk wurde der Bombenabwurf auf Hiroshima sehr zurückhaltend kommentiert. Man konnte fast glauben, es habe nur eines der üblichen Bombardements stattgefunden, unter denen fast täglich die japanischen Großstädte erbebten.
    Im Laufe einer beinahe schlaflosen Nacht gelang es David endlich, sich ein wenig vom dem Bann des Rauchpilzes über Hiroshima frei zu machen. Er fragte sich, ob General MacArthur ihn mit Absicht belogen hatte, was den genauen Abwurfstermin von Little Boy betraf Jetzt, im Nachhinein, ergab alles einen Sinn: Der Oberbefehlshaber hatte als Ultimatum Mitternacht, den 5. August, gesetzt und nicht den Tag danach. Wappneten sich also die Japaner auf Grund von Davids Informationen gegen einen Angriff am 7. mussten sie zwangsläufig überrascht werden.
    Obwohl David, in streng militärischer Hinsicht, diese Kriegslist des Amerikaners nachvollziehen konnte, fühlte er sich doch auf
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