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Der kranke Gesunde

Der kranke Gesunde

Titel: Der kranke Gesunde
Autoren: Andreas von Pein , Hans Lieb
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überbewerten. Schwindelzustände seien weit verbreitet. Schließlich besuchte ich auf seinen Rat auch noch einen Orthopäden, der röntgenologisch leichte Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule feststellte und mir Massage, Wärme und Krankengymnastik verordnete. Ich machte – obwohl mich die Vielfalt der Erklärungen und vorgeschlagenen Maßnahmen nun doch einigermaßen verwirrte – auch dies bereitwillig mit, verspürte mal wieder eine vorübergehende und dann doch wieder wegbleibende Besserung. Inzwischen quälten und verunsicherten mich meine Beschwerden doch so sehr, dass dieses Thema ständig in meinen Gedanken herumspukte. Ich verlor meine Lust am Sport und zog mich vom Sportverein und später auch von meinem Stammtisch zurück. Vor unseren Wochenendausflügen mit Bettina und den Kindern hatte ich mittlerweile regelrechte Angst und Widerwillen: Ich befürchtete, mitten im Ausflug von meinen Beschwerden – fernab jeglicher ärztlicher Hilfe – überrascht zu werden. Schließlich gab ich solche Ausflüge, nicht ohne schlechtes Gewissen, ganz auf.
    Mein Hausarzt bemerkte meine zunehmende Niedergeschlagenheit und verschrieb mir zur ›Entlastung‹, wie er sagte, ein Beruhigungsmittel. Das brachte eine Art Dämpfung meiner Ängste und Sorgen, aber ich war ebenso wie mein Hausarzt dagegen, diese Mittel längerfristig einzusetzen. Uns beiden war die Gefahr einer Gewöhnung klar. Und die Ursache all dessen war damit ja weder gefunden noch beseitigt.
Und nun lande ich auch noch beim Psychiater!
    Zuletzt kam, was kommen musste: Man überwies mich auch noch zum Psychiater ! Der unterhielt sich ebenfalls lange mit mir. Auch er meinte dann, ich solle mir nicht so viele Sorgen machen, mich nicht zurückziehen, mein Leben durch Sport und Freizeit aktiver gestalten! Um mir das zu erleichtern, verschrieb er mir ein ›Antidepressivum ‹, das meine Stimmung aufhellen und meinen Antrieb steigern sollte. Da ich mich bei ihm wohl und verstanden fühlte, hoffte ich auf die Wirkung dieses von ihm verschriebenen Mittels. Darin wurde ich aber wieder enttäuscht. Alle Versuche, mich zu Sport und sonst was aufzuraffen, machte die Wiederkehr von Herzrasen, Schwindel, Schmerzen und Angst zunichte. Der Psychiater hatte mir auch noch ein Entspannungstraining empfohlen, das ich zuerst bei ihm in einer Gruppe lernte und dann zu Hause weiter anwenden sollte. Aber offen gesagt damit kam ich nicht zurecht und das brachte mir gar nichts.
    Ganz ehrlich: Auch wenn alle Ärzte sagen, ich hätte keine wirkliche Krankheit‹, glaube ich, dass sie etwas übersehen haben müssen! Zuletzt sagten Psychiater und Hausarzt ich vermute, sie waren am Ende ihrer Künste ich sollte mich einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen.«

Der Hausarzt: der erste Experte
    Diese Geschichte von Martin zeigt neben vielem anderen, wie wichtig Hausärzte für viele psychosomatische Patienten sind. Diese sollen hier deshalb selbst zu Wort kommen. Hier stellvertretend für sie der Hausarzt von Martin.

    Hausarzt: »Die von Martin beschriebenen Beschwerden können vielfältige Ursachen haben. Deshalb ist es immer wichtig, die Möglichkeit einer organischen Erkrankung zu bedenken. Eine Herzkranzgefäßverengung oder ein Herzinfarkt können von einem psychosomatischen Beschwerdebild nur unterschieden werden, wenn gründliche organische Untersuchungen durchgeführt werden. Meistens reichen dafür das Abhören des Herzens, die Blutdruckmessung, die Ableitung eines EKG s, eventuell auch unter Belastung, und eine Blutuntersuchung. Übrigens: Das von Martin erwähnte Fremdwort heißt ›Mitralklappenprolaps ‹ und benennt eine leichte Wölbung der Verschlussklappen zwischen Vorhof und Hauptkammer des Herzens. Das ist meist eine harmlose Angelegenheit, auch wenn das Wort beeindrucken kann.
Notwendige Untersuchungen oder ›Diagnose-Karussell‹?
    Um meiner Sache ganz sicher zu sein, wiederhole ich einige dieser Untersuchungen bei solchen Patienten regelmäßig. Manchmal muss ich Spezialisten aus anderen Fachgebieten hinzuziehen. Von diesen Kollegen werden dann oft kleinere Befunde erhoben, die jeweils zu ganz speziellen Behandlungsversuchen führen: Manchmal mit guter Wirkung, viel öfter aber ohne anhaltende Erfolge. Fachärzte sehen den Patienten ja immer nur kurz und untersuchen nur ihr spezifisches Fachgebiet. Meine Aufgabe ist es dann, alle Befunde zusammenzutragen, sie mit dem Patienten zu erörtern und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Das könnte auch
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