Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition)
Autoren: Manuela Reizel
Vom Netzwerk:
jetzt schon seit Wochen. Und ich hab dir schon hundertmal gesagt, dass du’s mit Perl versuchen sollst.“
    „Zu kontextintensiv. Ich schaffe es wegen der ganzen Rekursionen einfach nicht, die Performance aufrechtzuerhalten ...“
    „Versuchs mit ’nem anderen Compiler.“
    „Bisher tut nicht mal mein Linker, was er soll. Er findet die entscheidenden Funktionen nicht.“
    „Lässt du mich einen Blick auf den Quellcode werfen?“
    Zum ersten Mal an diesem Abend sah Lukas ihn an. Etwas Zweifelndes lag in seinem Blick. Hätten sie sich nicht so lange gekannt, hätte Ralf es für Misstrauen gehalten.
    „Na, was ist? Glaubst du, du hättest das Rad neu erfunden?“
    Langsam, fast andächtig, ließ Luke den Rechner booten. Dann drehte er ihn, sodass Ralf auf den Monitor sehen konnte.
    Der überflog die Zeilen, hielt inne, holte tief Luft und pfiff durch die Zähne. „Fuck, du
hast
das Rad neu erfunden.“ Eine Weile war es totenstill, dann sagte Ralf halb scherzhaft: „Armageddon was yesterday …“, doch sein Blick war ernst.
    „Today we have a serious problem. Glaubst du mir nun?“
    „Du musst mit jemandem reden. An der Informatik-Fakultät hier gibt es gute Leute …“
    „Willst du mich verscheißern?“
    „Dann sprich wenigstens mit den Jungs vom C3S! Das ist eine heiße Sache. Das muss ich dir nicht sagen. Andere sind schon für weit weniger um die Ecke gebracht worden.“
    Lukas lachte. „Du meinst Leute wie Karl Koch? Oder Boris F.? Für wie bescheuert hältst du mich? Natürlich gehe ich damit nicht online. Und ich werde auch nicht versuchen, es irgendwem zu verkaufen – zumal es, wie du ja gesehen hast, noch nicht funktioniert. Aber das hier ist mein Baby, verstehst du? Ich bringe das zu Ende. Ich allein. Und wenn du mit irgendjemandem darüber plauderst …“
    „Keine Sorge, Luke Skywalker, ich will bestimmt nicht derjenige sein, der dich auf dem Gewissen hat. Aber irgendwann wird es vielleicht tatsächlich funktionieren, und dann
wirst
du es verkaufen wollen. Ich hoffe nur, dass ich dann sehr weit weg bin … Ach, was soll’s –
your choice
. Hey, es ist Freitagabend, und ich bin am Verdursten! Könnte es sein, dass es in deiner Welt noch etwas anderes als dein Quine gibt? Lass uns gehen, das Problem mit der Performance löst du heute Nacht sowieso nicht mehr!“
    Aufgrund der Jahreszeit war der „Palast der Republik“ eher spärlich besucht. Ralf und Luke zogen sich mit zwei Milchkaffees in eine warme Ecke zurück, und Ralf tat sein Möglichstes, in der anschließenden theoretischen Diskussion über die Vorzüge und Nachteile verschiedener Programmiersprachen nicht als Underdog dazustehen. Nachdem sich ein paar Freunde vom Ironhawk-MC dazugesellt hatten, wurden die Themen allgemeiner, und Luke wurde zusehends stiller. Irgendwann schafften die beiden den Absprung.
    Sie entschieden sich für das „Perkins Park“.
    Am Killesberg angekommen fand Ralf in der Stresemannstraße auf Anhieb einen Parkplatz und besah sich etwas verschämt die lange Reihe der Luxuskarossen, die sich wie gewöhnlich den Hang hinunterzog.
    Lukas, der seinem Blick gefolgt war, lachte und begann aus voller Kehle den alten Wolle-Kriwanek-Song zu skandieren: „I for Daimler, d’Stroß ghert mir …“
    „Hey, benimm dich gefälligst, ich wäre gerne wenigstens mal kurz drin gewesen, bevor sie uns wieder rausschmeißen!“
    „Mach dir nichts draus, Buddy, ich wette, du steigst noch früh genug in den edlen Club mit dem Stern ein, und bis dahin tut’s dein Kaddy allemal.“
    Es war bereits in den ersten Morgenstunden, als sie die breite Auffahrt entlanggingen, den finster dreinblickenden Türsteher, der erstaunlicherweise nichts an Lukas’ ausgefranster Jeans auszusetzen hatte, passierten und in die Welt der Lichter und Klänge eintauchten.
    Da es der dritte Freitag im Monat war, war „La Boum“ angesagt. Ralf stand zwar eher auf gepflegten Frankfurter Rave, doch bevor er sich wehren konnte, hatte Lukas ihn in den großen Club gezerrt, wo Mr. Mac’s Party in vollem Gange war, und es dauerte nicht lange, bis er den Freund im Gewühl verloren hatte. Seufzend zog er sich an die Bar zurück und bewaffnete sich mit einem Wodka-Lemon. Nachdem er sich in Ruhe umgesehen hatte, erspähte er auf der anderen Seite der Tanzfläche eine entzückende Blonde, die nicht in Begleitung zu sein schien. Er beobachtete sie eine Weile, leerte sein Glas und begab sich in ihre Richtung.
    Wie sich herausstellte, war ihr Name Heike, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher