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Der Kopflohn

Der Kopflohn

Titel: Der Kopflohn
Autoren: Anna Seghers
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Johann Schulz verhalten. Dabei ist es nicht entscheidend, ob Johann wirklich bei dem sogenannten Hungermarsch in Leipzig einen Polizisten erstochen hat. (Dies ist insbesondere deshalb nicht entscheidend, weil die Morde der Nazis überhaupt nicht Gegenstand polizeilicher Untersuchung sind.) Entscheidend ist, was die Konfrontation mit dem Steckbrief in Verbindung mit der immensen Summe von 500 Mark in den einzelnen auslöst. Bereits Andreas Bastian merkt, daß Johann offensichtlich in einer schwierigen Situation steckt, als er zu ihm kommt, aber er fragt nicht, nimmt ihn auf, teilt Arbeit und Essen mit ihm und gewinnt ihn schließlich lieb wie einen eigenen Sohn. Algeier hingegen kennt den Jungen kaum; das Geld könnte er gut gebrauchen, um seine Zentrifuge auszulösen, aber er begreift, daß ihn etwas mit Johann verbindet, das sie beide in Gegnerschaftzu den Herrschenden bringt. Auch dem jüdischen Händler Naphtel wäre das Geld willkommen, aber in ihm erwacht jener Widerwillen, heftiger als vor Mord oder vor Raub oder Lüge oder sonst einem Laster, uralter, dem unverfälschten Menschenherzen eingeglühter Widerwille, einen Verfolgten der Staatsgewalt auszuliefern . Für den alten Merz, der die Roten haßt, ist es lediglich eine Frage des opportunen Zeitpunkts, wann er den Gesuchten anzeigt; Kößlin wird zum Verräter, weil er den unbedingten Gehorsam gegenüber seinem Gruppenführer Kunkel über seine Freundschaft zu Johann stellt. Wie später im Siebten Kreuz wird auch hier die Entscheidung zwischen Verrat oder Solidarität zum entscheidenden Maßstab für den inneren Wert eines Menschen, für den Grad der Bewahrung seiner Humanität. Fragte Anna Seghers dort, was ihre Figuren trotz des Faschismus sich wie Menschen verhalten ließ, so fragte sie im Kopflohn , weshalb er sich in den Menschen mit diesen furchtbaren Folgen einnisten konnte. Ihre Bilanz war bereits 1933 ernüchternd und hart.
    Sonja Hilzinger
    August 1995

Informationen zum Buch
    Am Vorabend der Katastrophe
    Sein Steckbrief hängt öffentlich in der Kreisstadt aus, als Johann Schulz bei Verwandten in einem rheinhessischen Dorf Zuflucht sucht. Man beschuldigt ihn, bei einer Demonstration einen Polizisten getötet zu haben. Der ausgesetzte Kopflohn wird für die Dorfbewohner zur Versuchung, und es ist eine Frage der Gesinnung, wer den Polizistenmörder schließlich denunziert. Denn im Dorf werben die Nazis.
    »Man wird Augenzeuge des ersten Wachstums der Hitlerbewegung im Dorf. Die Dichterin hat keine These, die sie illustrieren will. Sie schildert nicht aus einem politischen Willen heraus, obwohl sie genau weiß, wohin sie gehört. Man gewinnt großes Vertrauen zu ihrem Bild, weil man Zeuge eines Naturprozesses zu sein glaubt. Die alten Bauern wollen nicht recht ran. Die Jungen werden verlockt von Uniformen, Autofahrten, Abenteuern und Keilereien. Es ist bei den Alten nicht viel Widerstand da, bei den Jungen ein vielfältiger Betätigungsdrang. Das sind einige Tendenzen des Prozesses, der viele Wurzeln hat, wie alles Lebende.
    Anna Seghers erzählt herb, schweigsam, mit seltener, bezaubernder Konzentration. Kein überflüssiges Wort, kein Sentiment, keine Reflexion der Erzählerin. Jedes Gespräch ist sparsam auf seine Grundlage gebracht.«
    »Das Neue Tagebuch«,

Informationen zu den Autorinnen
    Netty Reiling wurde 1900 in Mainz geboren. (Den Namen Anna Seghers führte sie als Schriftstellerin ab 1928.) 1920-1924 Studium in Heidelberg und Köln: Kunst- und Kulturgeschichte, Geschichte und Sinologie. Erste Veröffentlichung 1924: »Die Toten auf der Insel Djal«. 1925 Heirat mit dem Ungarn Laszlo Radvanyi. Umzug nach Berlin. Kleist-Preis. Eintritt in die KPD. 1929 Beitritt zum Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. 1933 Flucht über die Schweiz nach Paris, 1940 in den unbesetzten Teil Frankreichs. 1941 Flucht der Familie auf einem Dampfer von Marseille nach Mexiko. Dort Präsidentin des Heinrich-Heine-Klubs. Mitarbeit an der Zeitschrift »Freies Deutschland«. 1943 schwerer Verkehrsunfall. 1947 Rückkehr nach Berlin. Georg-Büchner-Preis. 1950 Mitglied des Weltfriedensrates. Von 1952 bis 1978 Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR. Ehrenbürgerin von Berlin und Mainz. 1978 Ehrenpräsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. 1983 in Berlin gestorben.
    Romane: Die Gefährten (1932); Der Kopflohn (1933); Der Weg durch den Februar (1935); Die Rettung (1937); Das siebte Kreuz (1942); Transit (1944); Die Toten bleiben jung (1949); Die
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