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Der Komet

Der Komet

Titel: Der Komet
Autoren: Hannes Stein
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Hinweis
ruhte sicher in der Dunkelheit seines Portemonnaies).
    Noch eine zweite Hürde war auf dem Weg zum Mond zu bewältigen – die Grenzkontrolle. Ja, es war ein wenig verrückt. Dudu Gottlieb konnte nach Triest reisen, nach Budapest, nach Prag, nach Czernowitz, nach Sarajewo oder in sein heimatliches Lemberg, ohne dass er unterwegs je hätte seinen Reisepass vorweisen müssen; aber der Mond war nun einmal deutsch, da war nichts zu machen. Unsichtbar erstreckte sich eine politische Grenze durchs stille kalte All, eine seltsame Vorstellung. Auf ganz unerwartete Weise, dachte Dudu, während er sich in die nächste Menschenschlange einreihte, war eine Prophezeiung von Heinrich Heine aus dem 19. Jahrhundert wahr geworden. Heine, der die Deutschen mit ingrimmigem Spott geliebt hatte, dichtete in seinem Poem »Deutschland. Ein Wintermärchen«:
    Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Briten.
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
    Diese Verse hatten sich also erfüllt – viel weniger metaphorisch, viel buchstäblicher, als Heine es hatte wissenkönnen. Ganz ohne alle Ironie! Seit dem Jahr 1940 hatten die Deutschen mit überlegener Ingenieurskunst – das musste der österreichisch-ungarische Neid ihnen lassen – die Herrschaft im Luftreiche der Utopie erstritten. Der Rüstungswettlauf mit den Briten war da schon endgültig verloren gewesen: Auch der letzte Trottel hatte begriffen, wie sinnlos es war, immer neue Kriegsschiffe vom Stapel laufen zu lassen, die dann doch wieder nutzlos im Kieler Hafen herumdümpelten – in der Raketentechnik lag die Zukunft! Die Deutschen hatten also einen alten Menschheitstraum wahr gemacht, waren als Pioniere zum Mond geflogen und hatten ihn danach mit preußischer Gründlichkeit in Beschlag genommen und kolonisiert (in einem Anflug von jüdischem Nationalstolz erinnerte Dudu Gottlieb sich kurz daran, welch hervorragende Rolle Juden bei dieser waghalsigen Unternehmung gespielt hatten). Er mochte sie nicht besonders, die Preußen; aber das hatten sie gut gemacht. Doch nun war die Reihe schon an ihm, seine Papiere aus der Brusttasche zu fingern – dabei musste er aufpassen, dass ihm die Flugkarte nicht zu Boden fiel, gleichzeitig hatte er seine Koffer vorwärtszurollen. Schon stand er vor der Glaskabine, die einen Angehörigen der Grenzgendarmerie behauste. Da Dudu Gottlieb öfters zum Mond flog, kannte er mittlerweile viele Grenzgendarmen mit Namen. Dieser blutjunge Diener Seiner Majestät hieß Stanisław Paszkiewicz; er trug einen bleistiftstrichdünnen Schnurrbart unter der Nase und stammte wie Dudu aus Ost-Galizien.
    »Guten Morgen, Exzellenz«, sagte der Grenzgendarm in seiner blauen Uniform.
    »Dzień Dobry, Panie Paszkiewicz«, sagte Dudu Gottlieb und legte seine Dokumente vor, »jak siȩ pan miewa dzisiaj?«
    »Caćkiem dobrze ale musi pan dobrze zadbał o swojezdrowie, Herr Geheimrat. Zgodnie z naszym wczorajszym raportem bȩdzie padać śnieg o pòłnocy.«
    »Mam spakowane futro«, versetzte Dudu, ohne die Miene zu verziehen.
    »Mam nadziejȩ że Paǹskie walizki są wypełnione po brzegi sliwowica«, sagte Stanisław Paszkiewcz. »Będzie Pan musiał przekupić wiȩcej Prusaków.«
    »Oczywiście, oczywiście. Zechciałby Pan sprawdzić? «
    »Póki co z przyjemnościa zyczyłbym sobie sprawdzić, Herr Geheimrat. Żegnam Proszȩ tylko nieszaleć i nienarobić żadnych szkód przed Ksiȩżycem.« Mit diesen Worten
Hinweis
gab er Dudu den Pass zurück – und da es zum Spiel gehörte, dass keiner von ihnen lächelte, vermieden es die beiden, einander in die Augen zu sehen.
    Nach den Grenzformalitäten und nachdem Dudu Gottlieb sein Gepäck aufgegeben hatte, blieb ihm gerade noch genug Zeit, sich in einer Trafik die jüngste Ausgabe der Neuen Freien Presse zu kaufen; außerdem erwarb er eines jener Bücher, wie man sie als Dutzendware auf allen Flughäfen der Welt herumliegen sieht. Dieses Exemplar hier hatte einen grellen Einband, stammte von einem gewissen Richard Turteltaub, trug den Titel Hannibal Barkas – Herrscher über Italien und kostete nur 16 Kronen und 95 Heller. Dudu kaufte das Buch, ohne dass er es auch nur angeblättert hätte; er kaufte es vor allem deshalb, weil Hannibal in seiner persönlichen Heldengalerie einen Ehrenplatz einnahm, aber auch, weil auf dem Umschlag des Buches ein trompetender Elefant abgebildet war – er mochte Elefanten. Dudu hatte das Buch kaum
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