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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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gegen die Ludwig sich durch die Eroberung Lothringens, die Besetzung des Elsaß’ und zu guter Letzt Speyers gesichert hat? Sind diese ›Kaiserlichen‹ Deutsche?«
    »Im Jahr 1635, liebe Freundin, gibt es noch kein deutsches Kaiserreich. Deutschland ist ein Flickenteppich aus dreihundert Fürstentümern, großen und kleinen, regiert von Fürsten, Herzögen, Markgrafen und Burggrafen.«
    »Burggrafen? Wie in dem Stück von Victor Hugo?«
    »Das aber nicht eben historisch ist, denn Hugos Burggraf ist hundertzwanzig Jahre alt, hat einen Sohn von hundert und einen Enkel von achtzig Jahren, und wenn der Achtzigjährige den Schnabel auftut, herrscht ihn der Großvater an: ›Schweigt, junger Spund!‹ Übrigens gibt es in Deutschland auch Freie Reichsstädte und kaiserliche Reichsstädte.«
    »Aber Sie sagten doch, Deutschland war 1635 noch kein Kaiserreich.«
    »Richtig, der Kaiser war ein Habsburger, ein Österreicher also, verwandt mit dem König von Spanien und sein natürlicher Verbündeter. Und wie dieser ist Kaiser Ferdinand II. ein wütender Gegner der Hugenotten.«
    »Wütend?«
    »Wütend, wildwütend sogar. Eines Tages erklärte er, lieber wolle er über eine Wüstenei herrschen als über Ketzer. Spricht aus so schrecklichen Worten nicht der Wunsch nach Ausrottung?«
    »Monsieur, Sie sagten Speyer sei eine kaiserliche Reichsstadt. Was heißt das? Was ist eine kaiserliche Reichsstadt in Deutschland, wenn das Kaiserreich österreichisch ist?«
    »Eine kaiserliche Reichsstadt ist eine Freie Stadt, auf welche der Kaiser ein Auge geworfen und die er sich durch Gewalt angeeignet hat.«
    »Ferdinand II. ist also auch einer der Fürsten, die sich gerne auf Kosten ihrer Nachbarn vergrößern?«
    »Und die mit Spaniens Beistand in Europa eine Universalmonarchie errichten wollen, natürlich unter dem Vorwand, dem Herrgott zu dienen, indem man die Protestanten bis auf den letzten ausrottet. Leider hat die Verfolgung im Königreich Böhmen, das Ferdinand seiner Fuchtel unterworfen hat, längst begonnen. Wissen Sie von dem berühmten ›Prager Fenstersturz‹, mit dem die Schlacht um Böhmen begann, die sich zum Dreißigjährigen Krieg auswachsen sollte?«
    »Fenstersturz? Was heißt das?«
    »Nun, daß man jemanden aus dem Fenster wirft.«
    »Das ist ja furchtbar!«
    »Trotzdem ist es passiert. Am dreiundzwanzigsten Mai 1618 berieten auf dem Hradschin die kaiserlichen Statthalter Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Ketzer. Mitten in der Sitzung drangen rund hundert tschechische Edelleute, die Delegierten der protestantischen Stände Böhmens, in den Ratssaal ein, bemächtigten sich der kaiserlichen Räte Slawata und Martinitz und ihres jungen Sekretärs und warfen alle drei aus dem Fenster.«
    »Mein Gott, wie entsetzlich! Und waren alle drei tot?«
    »Keineswegs. Allerdings war einer der Räte schwer verletzt, weil er auf Wegplatten gestürzt war. Aber der andere Rat und derjunge Sekretär fielen auf einen Misthaufen, der dort nicht hätte liegen sollen. Sie taten sich nicht weh. Göttliche Vorsehung, riefen die Katholiken, das sichtbare Zeichen himmlischen Schutzes! Während die Protestanten meinten, der Misthaufen sei das Lager, das den Papisten am besten fromme, weil ihre Kirche durch ebenso stinkende Mißstände längst verrottet sei.
    Nach diesem Gewaltstreich setzten die kämpferischen böhmischen Stände, die den Zorn des Kaisers fürchteten, ihr Landaufgebot in Bereitschaft. Den Befehl vertrauten sie dem Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich V., an. In der Schlacht am Weißen Berg wurden sie von den Kaiserlichen grausam geschlagen, noch grausamer waren die hierauf folgenden Repressalien. Und damit, liebe Freundin, begann der Dreißigjährige Krieg. Doch will ich es heute hierbei belassen, um den Ereignissen nicht vorzugreifen.«
    »Danke, Monsieur, daß Sie mir ein Licht aufgesteckt und geklärt haben, was in meinem Kopf verworren war. Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen jetzt zwei ganz indiskrete kleine Fragen stellen.«
    »Fragen Sie, Madame. Ich werde in meinen Antworten diskret sein für zwei.«
    »Die Höflinge finden Sie abseitig, weil Sie in die Prinzessin von Guéméné verliebt sind, obwohl sie schon über Dreißig ist.«
    »Ich bin in die Prinzessin von Guéméné nicht verliebt, ich habe sie sehr gerne, aber den Unterschied können diese Leute offenbar nicht verstehen.«
    »Meine zweite Frage wage ich gar nicht zu stellen, so zudringlich erscheint sie mir.«
    »Liebe Freundin, wer hätte gedacht, daß
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