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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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erhabenen Gesellschaft sein solle, belehrte mich ein gewisser Monsieur de Mesmes.
    »Monseigneur, Eure Aufgabe ist es, uns zuzuhören. Indessen steht es Euch frei, ums Wort zu bitten und einen Vorschlag zu machen, der indes nur angenommen wird, wenn die Mehrheit ihm zustimmt. In Euren Befugnissen steht nicht, daß Ihr an unseren Abstimmungen teilnehmen dürft.«
    Dies wurde mir unter vielen Verbeugungen gesagt und mit einer Höflichkeit, die an Unverschämtheit grenzte.
    »Monsieur«, versetzte ich kühl, »ich bin überzeugt, daß ich mich gut unterrichte, wenn ich zuhöre.«
    Hierauf blieb ich stumm und still in meinem Stuhl sitzen, umgeben von allgemeiner Feindseligkeit.
    Die Herren der Robe gehorchten einem ebenso feierlichen Protokoll wie der Große Königliche Rat, dem es übrigens abgeschaut war. Doch schließlich begann die Sitzung, und der Präsident verkündigte, daß der König vom Gerichtshof fünfzehn Goldmillionen für die Kriegführung verlange.
    Wütendes Schnauben und Zornbeben lief durch die Versammlung, doch, sei es aus einem Rest von Respekt, sei es wegen meiner Gegenwart, äußerte sich niemand gegen Seine Majestät. Eine verworrene Diskussion begann, die einen sagten, es sei nahezu unmöglich, eine solche Summe aufzutreiben, die anderen fragten, ob das denn notwendig sei, da der Krieg eben erst begonnen habe, wieder andere fragten nicht ohne Tücke, wohin diese Gelder wohl fließen würden, wenn nicht in die Taschen eines Ministers, der gern prunkvolle Paläste baute.
    Die böswillige Attacke auf Richelieu entrüstete mich dermaßen, daß ich fast den Mund aufgetan hätte, um sie zu dementieren. Ich ließ es, und ich tat gut daran, denn in dem Moment klopfte es an der Tür, und der Gerichtsdiener meldete dem Präsidenten, daß ein Kurier eine wichtige Nachricht vom Krieg überbringen wolle.
    Zerzaust und staubbedeckt trat der Kurier herein.
    »Ehrenwerte Herren«, sagte er, »zu meiner Betrübnis muß ich Euch eine sehr traurige Mitteilung machen, die unser Waffenglück betrifft: Die Spanier haben La Capelle eingenommen.« Du kannst La Capelle nicht vergessen haben, Leser, denn diese Feste an der niederländischen Grenze kam zweimal in meinen Memoiren vor. Das erstemal, als der junge de Vardes, der in der Zitadelle an seines Vaters Statt kommandierte, sich hatte überreden lassen, diese der Königinmutter für ihre geplante Flucht zu öffnen.
    Auf Befehl Ludwigs holte ich den Vater des unbesonnenen Heißsporns herbei. Dieser übergab uns La Capelle unter Tränen und floh auf meine Empfehlung hin eilends nach England, zu meiner guten alten Freundin Mylady Markby, um der Bastille oder womöglich gar dem Henkersbeil zu entrinnen, das ihm von Ludwigs Zorn drohen mochte.
    Das zweitemal fand ich mit Gaston nach einem Gewaltritt von Brüssel bis zur französischen Grenze in La Capelle Aufnahme. Der Leser wird sich erinnern, daß ich dort an einer fiebrigen Erkältung erkrankte, von der mich das Chinin der Jesuiten kurierte, was ein großes Loch in meinen Beutel riß.
    Aus meiner Kenntnis der Örtlichkeiten kann ich bestätigen, daß La Capelle mit seinen machtvollen, gezinnten Mauern, seiner starken Garnison und seinen gut gefüllten Speichern bestens zu verteidigen gewesen wäre. Darum war ich außer mir, zu hören, daß der Festungskommandant, Baron du Becq, den Spaniern nach nur siebentägiger Belagerung seine Tore geöffnet hatte.
    Was mich jedoch noch mehr aufbrachte, war die Feststellung, daß die Gerichtsherren, als sie von der Kapitulation des Feiglings hörten, darauf ganz anders reagierten als ich. Gewiß, niemand erklärte seine Gefühle zunächst offen, doch die freudig gewechselten Blicke, das erregte Geflüster, die von ironischem Lächeln begleiteten halben Worte lehrten mich, wie sie das Ereignis auffaßten.
    Weil das Geflüster zu leise war und ich Genaueres wissen wollte, nahm ich Zuflucht zu einer List. Ich ließ meinen Kopf an der Rücklehne meines Sitzes niedergleiten, schloß die Augen und tat, als wäre ich eingedöst. Es glückte. Die bislang gedämpften Stimmen wurden lauter. Und bald vernahm ich deutliche Reden, die mich sprachlos machten. »Nach dieser Nachricht«, sagte einer der Herren, »darf man sich auf ähnliche Tag für Tag gefaßt machen.« Ein anderer sagte: »Wenn der Spanier so forsch weitermacht, kann binnen Monatsfrist alles vorüber sein, der Kardinal muß nach Le Havre fliehen und Ludwig seinen Thron an Gaston übergeben.« Und spöttisch setzte ein dritter
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