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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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und ohne in eine ernstliche Schlacht einzutreten, lieferte er den Vorposten Condés verschiedene Scharmützel. Ein Scharmützel, wenn ich das hier einwerfen darf, ist ein kleiner Kampf zwischen befreundeten oder feindlichen Vorposten, der sich mitunter unvorhergesehen entspinnt, oft aber auch unternommen wird, um die Verteidigung des Gegners zu erproben. Selbstverständlich hütete sich Turenne, den König einer gefährlichen Lage auszusetzen. Doch trotz den Verboten seines Mentors begab sich Ludwig, so draufgängerisch war er, nur allzuoft in Reichweite der feindlichen Musketen.
    Ludwig blieb monatelang bei Turenne, einzig bestrebt, wie sein Großvater und Vater ein Soldatenkönig zu werden. Und er wurde es, etwas zu sehr sogar, wie die Zukunft zeigen wird.
    Nichts konnte ihn entmutigen, nicht Kälte, nicht Regen. Seine körperliche Kraft erregte aller Erstaunen. Fünfzehn Stunden hielt er es im Sattel aus, was seinem Gefolge, darunter mir, nicht wenig zu schaffen machte. Manche sagten
sotto voce
, er habe einen Hintern aus Stahl.
    Ludwig liebte seinen Vater, doch für mein Gefühl verehrte er seinen Großvater noch mehr, und sei es nur wegen dessen unablässiger Liebe zu den Frauen. Und wie sein Großvater lebte auch er gern mit den Soldaten, indem er zugleich gebieterisch und verführerisch mit ihnen sprach. Und immer ausgesucht höflich, wie er ja auch nie versäumte, wenn er in seiner Kalesche durch Paris fuhr, die Pariser mit gezogenem Hut zu grüßen; aber dieses erhellende Detail habe ich, glaube ich, schon erwähnt.
    Natürlich zeichnete er sich in allen körperlichen Übungen aus. Er spielte sehr gut Schlagball. Er focht ausgezeichnet. Er tanzte sehr gut und so unermüdlich, daß er eine ganze Nacht durchtanzen konnte. Auch liebte er die Künste, Musik, Malerei, Schauspiel, alles, was seinen Vater und seinen Großvater nur wenig interessiert hatte. Ebensosehr liebte er die Baukunst,und aus dem bescheidenen kleinen Versailler Schloß seines Vaters sollte er das berühmte Meisterwerk machen, um das alle Fürsten Europas uns derart beneideten, daß sie es zu imitieren versuchten.
    Was die Kleidung anging, war die Zeit längst vorbei, als Ludwig zu einem armen, schlecht angetanen Provinzler gesagt hatte: »Marquis, wie seht denn Ihr aus!« Um in Versailles zugelassen zu werden, verkauften Landedelleute ihre Ländereien. Alles Geld setzten sie um in Parfüms, Schminken, Puder, hochhackige Schuhe, Reifröcke und Perücken. Man mußte Herzog oder Prinz sein, damit man im Schloß ein Zimmer zum Schlafen erhielt, und so bekam, Gott sei Dank, auch die Prinzessin von Guéméné eins.
    Das Höflingsdasein war überaus anstrengend, denn stehend hatte man dem Lever des Königs beizuwohnen, stehend seinem Frühstück, stehend seinem Mittagsmahl, stehend seinem Abendessen. Schemel, Tabourets genannt, durften nur Herzoginnen und Prinzessinnen beanspruchen.
    Abtritte gab es nicht, wie Sie wissen, und waren von den Architekten, die Versailles erbauten, auch gar nicht vorgesehen, also folgte den großen Herren jeweils ein Diener, der unter seinem Mantel einen Topf trug. Bei schönem Wetter suchte man im Park Boskette auf, wo einem von anderen Dienern ein großer, oft schon halbvoller Eimer dargeboten wurde. Für die Damen war eine Freundin unerläßlich, die im Schloß ein Zimmer hatte. Hatten sie diese kostbare Freundin nicht, erleichterten sie sich in irgendeinem Winkel des weiträumigen Schlosses. Diener und Kammerfrauen mußten von früh bis spät durch die Flure streifen und Flüssiges aufwischen. Der Gestank aber blieb.
    Catherine kam nur einmal mit nach Versailles, und das meines Erachtens weniger aus Interesse für die Architektur, als um das Privileg eines den Herzoginnen reservierten Tabourets in Anspruch zu nehmen. Doch blieb sie nicht lange, so stieß die Zuchtlosigkeit der dortigen Damen sie ab. Zurück in unserem Heim, ließ sie ihrer Entrüstung freien Lauf. Nichts wurde verschont: die getünchten Gesichter unserer höfischen Zierpuppen, die unzüchtigen Dekolletés, die den halben Busen entblößten, die unzuträglich geschnürten Taillen, um die von der Mode diktierte Zierlichkeit zu erreichen, die aufgepolsterten Gesäße, dieeine üppige Kruppe vortäuschten, mit der all diese Damen sich einen wiegenden Gang gaben »wie Badehuren«, um abermals meine Gemahlin zu zitieren.
    Wobei Sie, schöne Leserin, wissen müssen, daß Catherine nie im Leben ein Badehaus gesehen hatte, die Kirche hatte, lange bevor mein
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