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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Autoren: Charlotte Thomas
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beleibter Dominikanerprior erschienen, über den Onkel Vittore mir berichtete, dass er stets auf mildtätige Gaben für sein Kloster aus sei – mithin ebenfalls keine sonderlich aufregende Erscheinung.
    Einmal war ein Steuerbeamter gekommen, vor dem Paulina und ich in Windeseile Teppiche und Tafelsilber im Keller versteckten, während Onkel Vittore mit dem Mann im Hof parlierte.
    Noch früher, als ich ungefähr sieben oder acht war, hatte uns ein großer Mann in prachtvoller Kleidung besucht, der mir das Haar zerzaust hatte, bevor Onkel Vittore mich zu Bett schickte. Auch von diesem Fremdling war mir wenig in Erinnerung; immerhin wusste ich noch, dass er ein edles Pferd geritten hatte.
    Da somit Besucher auf unserem Landgut fast so selten auftauchten wie andernorts neue Könige, wurde ihnen auch ähnlich gehuldigt, zumindest übertragen auf unsere bescheidenen Verhältnisse. Jedes Mal musste Paulina auftischen, was die Küche hergab, und ich wurde in den Keller geschickt, um ein Fässchen vom besten Wein zu holen. Nur der Steuerbeamte hatte keinen bekommen.
    Als vor zwei Jahren der Notar da gewesen war, hatte ich sogar ein Gläschen kosten dürfen – aus meiner Sicht keine Erfahrung, die nach Wiederholung schrie. Hinterher hatte ich einen großen Becher süßen Apfelmost trinken müssen, um den trockenen Geschmack nach altem Holz loszuwerden.
    Aufgeregt öffnete ich das angelehnte Fenster und blickte hinaus. Unten auf dem gepflasterten Hof vor dem Haus rollte die Kutsche aus, ein rustikales Gefährt, das von zwei nicht minder plumpen Pferden gezogen wurde. Der Schlag öffnete sich, und zwei Männer stiegen aus, die ich im flackernden Licht der Kutschenlaterne sofort erkannte, weil sie zu den wenigen Menschen gehörten, die in den letzten Jahren unser Gut besucht hatten – es waren der Dominikanerprior und der Notar.
    Gleich darauf bemerkte ich, dass noch jemand mit ihnen gekommen war: Vom Kutschbock stieg der Priester unserer Gemeinde, Pater Anselmo, und gesellte sich zu den beiden Männern.
    »Da wären wir, Messères 3 «, sagte er.
    »Werden wir denn nicht erwartet?«, wollte der Dominikanerprior wissen. »Im Haus scheint alles dunkel zu sein. Die Fahrt war lang, und eine warme Mahlzeit wäre nicht schlecht. Vielleicht auch ein Becher Wein dazu.«
    Pater Anselmo wirkte ratlos. »Nun, ich habe der Magd letzten Sonntag nach der Messe Bescheid gesagt, dass Ihr heute Abend herkommt. Aber sie wirkte auf mich … ein wenig indisponiert. Der Tod des guten Vittore hat ihr sehr zugesetzt. Sie hielt große Stücke auf ihn.« Zweifelnd blickte er zum Haus. »Möglicherweise hat sie vergessen, dass heute Besuch erscheint.«
    Das hatte Paulina gewiss. In den letzten Tagen vergaß sie ziemlich viel, was nach meinem Dafürhalten daran lag, dass sie ihren Kummer täglich in Schnaps ertränkte. Sie fing nach dem Vespermahl damit an und hörte erst auf, wenn es Zeit fürs Bett war.
    »Wir sollten anklopfen«, schlug der Dominikanerprior vor. Er war etwa im selben Alter wie der Notar, nach meiner Schätzung also um die sechzig, doch während der Notar klapperdürr war, wirkte der Prior unter seinem wallenden Ordensgewand so massig wie ein verfetteter Ochse.
    »Das sollten wir tun«, stimmte der Notar hüstelnd zu. »Ein warmes Plätzchen zum Schlafen wird rasch gefunden sein.«
    »Vielleicht kann die Magd auch einen Rest vom Mittagsmahl aufwärmen«, ergänzte der Prior. »Und uns einen Schoppen Wein reichen.«
    »Vorher sollten wir die Unterredung mit Marco führen«, sagte Pater Anselmo. »Damit der Junge weiß, woran er ist. Das wird alles sehr unerwartet für ihn kommen.«
    Ich reckte mich und spitzte die Ohren, um kein Wort zu verpassen.
    »Eigentlich wollte Vittore den Jungen mit nach Venedig nehmen«, fuhr Pater Anselmo fort. »Er erzählte mir erst vor wenigen Wochen von dieser Absicht.«
    Der Notar hüstelte missbilligend. »So gesehen war es vielleicht ein rechter Segen, dass es nicht mehr dazu kam.«
    Was? Wieso war es ein Segen? In meiner Aufregung wäre ich um ein Haar hingefallen, da ich nicht darauf achtete, dass ich die ganze Zeit auf nur einem Bein stand. Hastig stützte ich mich am Fensterrahmen ab und versuchte, mich in ein einziges, riesiges Ohr zu verwandeln.
    »War da was?« Der Prior spähte zum Haus. »Wollten wir nicht anklopfen und um Obdach und Nahrung bitten?«
    »Nicht, dass ich Messèr Zianis Tod begrüßen würde«, fuhr der Notar fort, als hätte der Prior nichts gesagt. »Er musste viel zu früh
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