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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten
Autoren: Simon Tolkien
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dringend Hilfe benötigte. Doch ihm war klar, dass er dasselbegetan und Vanessa weggestoßen hatte, als sie nach dem Tod ihres gemeinsamen Kindes hilfsbedürftig war. Und diesen Fehler würde er nicht noch einmal machen. Sie brauchte einerseits Trost und Unterstützung, andererseits aber auch noch den Raum und die Zeit zum Nachdenken. Meist übernachtete sie in ihrer eigenen Wohnung, und er verstand sehr wohl, warum das wichtig war. Nicht nur ihr Job, auch ihre Wohnung war eine eigene Leistung, ein Ausdruck ihres Vermögens, als selbständige Person zu existieren. Und es machte ihm große Freude, sie abends dort zum Essen zu besuchen und sich sowohl an ihren neu erworbenen kulinarischen Fähigkeiten als auch an ihren Bildern zu erfreuen, aus denen soviel Talent und Leidenschaft sprach, dass Trave sich über seine bisherige Blindheit nur wundern konnte.
    In Momenten der Trauer sprach Trave ihr leise Mut zu und stand ihr bei, so gut es ging. Er versuchte, im Moment zu leben, und hoffte einfach, dass alles sich zum Guten wenden würde. Creswell hatte im Eilverfahren seine Wiedereinsetzung erwirkt, und dazu hatte es auch noch ein überschwängliches Entschuldigungsschreiben vom Chief Constable höchstpersönlich gegeben. Mit der Wiederaufnahme seiner Arbeit war Traves Leben jetzt wieder richtig ausgefüllt. Clayton war zum Detective Sergeant befördert worden, und hin und wieder ertappte Trave ihn dabei, wie er besorgt zu ihm herüberblickte und wohl hoffte, sein Chef würde nicht wieder von einer seiner »Ahnungen« heimgesucht. Insgesamt hatte es aber bislang nichts gegeben, was ihre einträchtige Zusammenarbeit gestört hätte. Diesen März gab es in Oxford deutlich weniger Verbrechen als im Jahr zuvor.
    Trave und Vanessa hatten unterwegs angehalten, um Mittag zu essen, und erreichten Harwich nur wenige Minuten vor Abfahrt des Schiffes. Trave ging als einer der letzten Passagiere an Bord. Er trug seinen kleinen Koffer über den Landungssteg und winkte seiner Frau, als er an Deck stand.
    »Beim nächsten Mal kommst du mit«, rief er, doch seine Stimmewurde vom Tuten eines Schiffshorns übertönt. Das Schiff legte ab und entfernte sich von seinem Anlegeplatz. Trave spürte den Geruch des Meeres in der Nase und war plötzlich ganz aufgeregt. »Ich liebe dich«, rief er Vanessa zu, die schon ein ganzes Stück entfernt war, und diesmal war er sich sicher, dass sie ihn gehört hatte. Er konnte sehen, dass ein Lächeln ihr Gesicht überzog, während sie die Hand hob und ihm zuwinkte. Und es kam ihm vor, als hätte sie nie schöner ausgesehen als jetzt, da der auffrischende Wind in ihren dunkelbraunen Haaren spielte.
     
    Er kam am frühen Abend in Antwerpen an und ging nicht allzu spät ins Bett, denn er hatte mit Aliza ausgemacht, dass er sie am nächsten Morgen um neun mit dem Mietwagen abholen würde. Außerdem wollte er auch den Rest des Tages ausgeruht sein.
    Aliza war unverändert – alt und gebrechlich und außerordentlich lebendig. Wie damals war sie schwarz gekleidet, doch ergänzend dazu trug sie heute ein buntes Tuch um die Schultern. Während der Fahrt schaute sie starr geradeaus, als würde sie sich auf das vorbereiten, was vor ihnen lag.
    »Zu wissen, dass ich Titus so falsch eingeschätzt habe, ist furchtbar für mich. Mein Glaube an das Gute im Menschen hat dadurch sehr gelitten«, sagte sie leise und brach endlich das Schweigen, nachdem sie schon etwa die halbe Strecke nach Mechelen hinter sich hatten. Unmittelbar nach Osmans Tod und Jacobs Verhaftung hatte Trave sie angerufen und ihr dann in einem langen Brief mitgeteilt, wie nach und nach die Wahrheit über Osman und Claes ans Licht gekommen war. In ihrem Antwortschreiben hatte sie ihn dann eingeladen, nach Antwerpen zu kommen.
    »Ihr Glaube an das Gute im Menschen hat Ihnen überhaupt erst ermöglicht zu überleben«, sagte Trave. »Und ich bewundere Sie dafür.«
    »Ich überlebe, weil ich überlebe«, sagte Aliza traurig. »Mehrsteckt da nicht dahinter. Manche von uns tun es, manche nicht. Aber ich danke Gott und Ihrem Assistenten Mr. Clayton dafür, dass mir mein Enkel erhalten blieb. Wissen Sie, wie lange er noch im Gefängnis bleiben muss, Inspector?«
    »Nicht allzu lange, hoffe ich. Wegen der Einbrüche hat er ja eine gewisse Haftzeit zu erwarten, doch ich denke, das Gericht wird ihm Strafminderung dafür gewähren, dass er sich schuldig bekannt hat und bei Ausübung seiner Taten ja spezielle Motive hatte. Man kann ihn nicht wirklich hart
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