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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten
Autoren: Simon Tolkien
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Schwester von Claes noch in Gewahrsam?«
    »Ja, noch bis morgen.«
    »Gut. Hat sie etwas gesagt?«
    »Nein.«
    »Verstehe. In fünfzehn Minuten treffen wir uns auf dem Revier. Ich muss mit Ihnen reden.« Trave legte auf, noch bevor Clayton eine weitere Frage hätte stellen können.
     
    Trave saß bereits in seinem ehemaligen Büro, als Clayton eintraf. Es war immer noch Wochenende, und das Revier war schwach besetzt. Trave begann zu sprechen, ehe Clayton sich überhaupt hingesetzt hatte.
    »Ich möchte, dass Sie mich mit ihr reden lassen«, sagte er. »Und zwar jetzt gleich.«
    »Sie wissen genau, dass ich das nicht machen kann«, sagte Clayton völlig verdutzt. »Sie sind kein Polizist mehr. Sie haben nicht das Recht, hier drin mit ihr zu sprechen. Und abgesehen davon wäre alles, was sie sagt, als Beweis nicht zulässig.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Trave hartnäckig. »Ich suche ja keine Beweise gegen sie, sondern gegen ihren Bruder. Und sobald sie erfährt, wer er ist, sagt sie uns vielleicht, was er mit Katya gemacht hat.«
    »Was meinen Sie mit ›wer er ist‹? Von wem reden Sie?«
    »Lassen Sie mich mit ihr sprechen«, sagte Trave, ohne auf die Frage einzugehen. »Wir brauchen mehr als Katyas Tagebuch und wachsweiche Aussagen über Osman, um Swain herauszuschlagen. Das wissen Sie genau.«
    »Zeigen Sie mir, was Sie in der Hand haben, und ich bringe sie zum Reden«, schlug Clayton vor.
    Aber darauf wollte Trave sich nicht einlassen. »Ich muss das machen. Ich weiß, wie ich sie anfassen muss«, sagte er. »Wir können hier nicht kehrtmachen, Adam. Das verstehen Sie doch, oder? Sie müssen mich das jetzt durchziehen lassen.«
    Clayton nickte widerwillig. Er kannte die Vorschriften genau, aber trotzdem war ihm klar, dass er jetzt nichts weiter machen konnte, als Trave seinen Willen zu lassen.
     
    Sie vernahmen Jana in demselben kleinen Raum, in dem vor vier Monaten Swain sein Geständnis abgelegt hatte. Von Clayton begleitet, ging sie langsam von ihrer Zelle aus den Gang entlang und ließ sich auf den Stuhl sinken, der dem von Trave gegenüberstand. Sie sah völlig verändert aus. Das graue Haar, das sie jetzt nicht mehr in einem Dutt, sondern offen trug, fiel ungekämmt über ihre Schultern, und ihr Kleid war zerknittert und voller Flecken. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Beim Anblick von Trave hatten sie kurz aufgeleuchtet, nur um gleich darauf wieder trübe zu werden, während sie den Blick zu Boden senkte.
    »Sie erinnern sich an mich«, sagte Trave mit normaler, freundlicher Stimme, als würden sie sich zufällig in irgendeinem Café treffen und nicht im rückwärtigen Teil eines Polizeireviers. »Sie erinnern sich auch an unser Gespräch nach Katyas Tod. Und Sie erinnern sich daran, dass Sie mir erzählt haben, Sie würden in der Kirche nie zur Kommunion und nie zur Beichte gehen. Aber warum das so ist, haben Sie mir nicht gesagt. Ich denke, Sie sollten es mir jetzt sagen, Miss Claes. Ich glaube, dass Sie sich dann besser fühlen. Ich habe den Eindruck, dass Sie eigentlich nur zu gerne erzählen würden, was mit dem armen Mädchen passiert ist, dass Ihre Angst aber viel zu groß ist. Kann es sein, dass ich recht habe?«
    Jana antwortete nicht, doch Clayton stellte zu seiner Überraschung fest, dass es Trave gelungen war, ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Sie schaute in seine Richtung und hatte die Hand fest um das Kruzifix an ihrem Hals geschlossen.
    »Ich glaube nicht, dass Sie wussten, was Titus Osman und Ihr Bruder vorhatten«, fuhr Trave in demselben ruhigen, beschwörenden Ton fort. »Zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem espassiert war und Franz Ihnen davon erzählte. Es ist also nicht Ihre Schuld. Sie wussten nichts davon. So, wie Sie auch nichts davon wussten, wer Ihr Bruder wirklich war. Und das ist es, was ich Ihnen hier sagen will, Jana. Es wird Ihnen helfen, das zu wissen. Davon bin ich fest überzeugt.«
    »Was zu wissen? Was wissen Sie denn über ihn?«, brach es aus Jana heraus. Sie klang, als hätte sie Angst, und ihre Stimme war rauh und brüchig nach dem tagelangen Schweigen.
    »Sind Sie bei Franz geblieben, als er Belgien im Jahr 1943 verließ?«, fragte Trave schnell und beantwortete damit Janas Frage mit einer eigenen.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber Sie wissen, dass er nach Deutschland ging, oder?«
    Jana nickte.
    »Wissen Sie auch, was er dort getan hat?«
    Jana schüttelte erneut den Kopf, nur diesmal fast unmerklich. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie
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