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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten
Autoren: Simon Tolkien
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der Kinderspielplätze.
    Er musste nicht lange warten. Schlüssel rasselten, eine endlose Folge von Türen wurde aufgeschlossen, und er befand sich im Saal des Berufungsgerichts. David kam der Raum nicht wie ein Gerichtssaal vor, sondern eher wie eine riesige, höhlenartige Bibliothek. Die Wände waren vom Boden bis zur holzgetäfelten Decke voller Regale, in denen endlose Reihen alter Bücher in Ledereinbänden standen. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte David nach rechts hin auf einem Podium drei alte Männer in schwarzen Roben und Pferdehaarperücken erkennen, die an einem langen, blankpolierten Holztisch auf Stühlen mit hoher Lehne saßen. Das Licht der grünen Leselampen ließ ihre knochigen Hände aussehen, als befänden sie sich unter Wasser, doch abgesehen davon war der Saal so dunkel, dass David nicht nur wenig Hoffnung hatte, sondern sogar Verzweiflung verspürte.
    Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, erhob sich von einer Bank vor dem Podium der hakennasige Staatsanwalt Sir Laurence Arne.
    »Sehr geehrte Lordschaften, ich habe beantragt, die Anhörungdieses Falles vorzuverlegen und nicht an dem ursprünglichen Termin festzuhalten, denn allem Anschein nach haben wir es hier mit einem gravierenden Justizirrtum zu tun, und zwar nicht nur im heutigen Fall, sondern auch hinsichtlich der ersten Verurteilung des Angeklagten im Jahr 1958. Inspector Trave von der Oxford Police hat mir Dokumente vorgelegt, die keinen Zweifel daran lassen, dass Mr. Swain Opfer einer breit angelegten Verschwörung war, welche zum Ziel hatte, ihm die Schuld an zwei Morden anzuhängen …«
    David wurde schwindlig. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Es konnte sich nur um eine Einbildung, einen schönen Traum handeln, aus dem er jeden Moment aufwachen würde. Die Worte des Staatsanwalts schwappten über ihn hinweg, bis eine Ahnung in ihm aufkeimte und sich schließlich zur Gewissheit festigte. Es war vorbei. Der Alptraum war zu Ende.
    Seine Mutter erwartete ihn vor dem Gerichtsgebäude. Zunächst erkannte er sie gar nicht, denn sie strahlte wie nie zuvor. Es war, als seien all die Jahre der Sorge und der Mühsal auf wundersame Weise in einem einzigen Moment von ihr genommen. Und neben ihr stand Max, der durch seine unglaublich dicken Brillengläser hindurch seinen Halbbruder ansah.
    »Ich bin sehr, sehr glücklich, dass du jetzt frei bist«, sagte Max todernst. »Weil ich dir zu Hause ganz schön viele Dinge zeigen muss. Nicht nur Roboter, auch jede Menge anderer Sachen. Einige habe ich selbst gebastelt. Du kommst doch mit uns heim, oder nicht, David?«
    »Ja, Max«, sagte David, indem er die Hand seines Halbbruders ergriff und über den Kopf des Jungen hinweg seine Mutter angrinste. »Ich komme mit heim.«

Kapitel Dreißig
    Vanessa brachte Trave in ihrem Citroën 2CV zur Fähre. Seit sie vor einem Monat Claes abgehängt hatte, hing sie noch mehr als früher an ihrer Ente. Sie hatte sich vorgenommen, den Wagen zu fahren, bis er irgendwann eines natürlichen Todes sterben würde.
    »Und vermutlich willst du die Karre dann auch noch hinten im Garten beerdigen«, brummte Trave.
    Vanessa musste lachen, wurde aber gleich wieder ernst, denn zu ihrer jetzigen Wohnung gehörte gar kein Garten, was bedeutete, dass Trave von ihrem gemeinsamen Haus in Nord-Oxford sprach.
    Doch die Irritation verflog, als die Straße durch offene Felder führte, auf denen der Winterweizen schon recht hoch stand und sich im Wind neigte, und man gar nicht anders konnte, als glücklich darüber zu sein, dass der Frühling vor der Tür stand. Die Nähe und Wärme, die Trave jetzt beim Zusammensein mit Vanessa empfand, erinnerte ihn immer wieder an die Zeit, als sie beide jung waren, in einem Auto wie diesem durch Frankreich und Italien tuckerten und in kleinen Gasthäusern übernachteten oder einfach im Freien schliefen mit nichts über sich als dem leuchtenden Mittelmeermond.
    Jetzt waren sie älter, hatten jeder für sich schwierige Phasen durchlebt und konnten nachts nicht schlafen, weil beide mit einer persönlichen Schuld zu kämpfen hatten. Aber was geschehen war, bewirkte, dass mittlerweile jeder für den anderen viel mehr Verständnis aufbringen konnte, und so schienen sie zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich befreundet zu sein.
    Trave machte sich Sorgen um Vanessa. Er konnte sie nicht von der Last befreien, dass sie einerseits den Verführungskünsten von Osman erlegen war und andererseits Katya weggestoßen hatte, als diese
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